Defizitsünder Frankreich erhält einen Aufschub

Brüssel · Die EU-Kommission vertagt ihre Entscheidung darüber, ob Frankreichs zu hohe Neuverschuldung bestraft wird, um vier Monate. Die Behörde hat am Freitag mitgeteilt, dass sie erst im März ihr endgültiges Urteil abgeben wird.

Brüssel. "Frankreich verfehlt die Stabilitätsziele, wird aber vorerst nicht bestraft: "Wir wollten keine überhastete Entscheidung treffen, weil uns noch keine endgültigen Zahlen vorliegen", sagte der französische Währungskommissar Pierre Moscovici am Freitag. "Die Zeit bis März darf aber nicht verloren gehen. Wir werden jetzt mit der Regierung über zusätzliche Sparmaßnahmen und eine Beschleunigung des Reformprozesses diskutieren."
Eigentlich müsste Frankreich, das wegen der miesen Wirtschaftslage bereits zwei Fristverlängerungen dafür erhalten hat, im nächsten Jahr sein Etatdefizit unter die erlaubte Marke von drei Prozent der Wirtschaftsleistung drücken. Laut aktueller Prognose werden aber 4,5 Prozent erwartet. Die EU-Kommission stellt dennoch nur fest, dass "die Gefahr von Verstößen gegen den Pakt besteht" - so wie sie das auch über die Etats in Belgien, Spanien, Italien, Malta, Österreich und Portugal sagt.
Die Situation Frankreichs als zweitgrößter Volkswirtschaft im Euroraum ist dennoch speziell, wie auch der für den Euro zuständige Kommissionsvize Valdis Dombrovskis einräumte. So seien selbst Italien und Belgien, die ebenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen sollen und auch erst im März einen endgültigen Bescheid bekommen, "nicht ganz im selben Boot". Während die Finanzminister in Rom und Brüssel erst gerade die zulässige Neuverschuldungsmarke überschreiten, haben die Kollegen in Paris zuletzt 2007 einen stabilitätspaktkonformen Haushalt vorgelegt.
Der deutsche Kommissar Günther Oettinger hatte vor wenigen Tagen Frankreich daher als "Wiederholungstäter" bezeichnet. Reine Ankündigungen aus Paris reichten nicht mehr, es brauche konkrete Gesetzentwürfe.
Diese Ansage hat offenbar Spuren hinterlassen. So hat Premier Manuel Valls per Brief einen Zeitplan für die anstehenden Reformen samt Abstimmungskalender in der Nationalversammlung vorgestellt. Im März will die Kommission dann Dombrovskis zufolge überprüfen, was tatsächlich umgesetzt wurde: "Taten sprechen lauter als Worte".
Die Entscheidung spaltet indes die große Koalition von Christ- und Sozialdemokraten im Bundestag wie im Europaparlament. Während der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß sie für "durchaus vertretbar" hält, äußerte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber scharfe Kritik: "Schon beim ersten Anwendungsfall werden die Spielregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts mit Füßen getreten. Ich frage ich mich schon, ob wir aus der Krise nichts gelernt haben."

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