Der Euro-Hawk-Ausschuss robbt sich an sein Ziel heran

Berlin · 19 Zeugen an sechs Tagen innerhalb von zwei Wochen: Der Vernehmungsmarathon im Drohnen-Untersuchungsausschuss hat begonnen. Die erste Runde läuft ungünstig für Verteidigungsminister de Maizière.

Berlin. Sehr langsam robbt sich der Untersuchungsausschuss zum Euro-Hawk-Debakel an sein eigentliches Ziel heran: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Es geht um den Verdacht, dass er das über 500 Millionen Euro teure Desaster früher hätte verhindern können und zudem die Öffentlichkeit belogen hat. Zum Auftakt der Ermittlungsarbeit vernahmen die Abgeordneten gestern die früheren Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU) sowie Ex-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan.

Scharpings Konzeptstudie


Rudolf Scharping, der bis zu seiner "Poolfoto"-Affäre im Sommer 2002 amtierte, war sozusagen der politische Vater des Projektes. Wolfgang Schneiderhan, 2009 von Theodor zu Gutenberg im Streit entlassen, hatte es umzusetzen. Man habe schon im Kosovo-Krieg eine "Fähigkeitslücke" erkannt, die mit der beschlossenen Ausmusterung der alten Breguet-Atlantic-Aufklärungsflugzeuge immer bedrohlicher geworden sei: die Nachrichtenbeschaffung durch Aufsammeln und Auswerten von Signalen am Boden. "Ein Einsatz ohne Aufklärung ist nicht verantwortbar", sagte Scharping. Er ließ damals Konzeptstudien erstellen. Schnell sei klar gewesen, dass man eine Technologie der Zukunft wollte, sagte Schneiderhan: die Drohne. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche sollten die Maschinen in 20 bis 30 Kilometer Höhe kreisen, um ein Einsatzgebiet aus großer Ferne zu überwachen. Also mussten sie unbemannt sein, denn, so Schneiderhan, "so viel Pampers können Sie gar nicht mitnehmen". 2004 wurde eine genaue Anforderungsbeschreibung erstellt. Es sei von Anfang an klar gewesen, so der frühere Generalinspekteur, "dass das Ding hoch muss, wieder runter, und dass dazwischen normaler ziviler Luftraum ist". Aber das sei für lösbar gehalten worden.
Allerdings entschied man damals, zunächst beim amerikanischen Hersteller Northrop Grumman nur eine Musterdrohne zu kaufen, noch nicht die ganze Serie von fünf Maschinen, und mit ihr die Technik zu erproben. Allein dieses eine Gerät, das jetzt nicht fliegen darf, kostete 250 Millionen Euro, die Elektronik dazu einen ähnlich hohen Betrag. Ex-Minister Jung bekam in seiner Amtszeit, wie er sagte, absolut nichts von möglichen Zulassungsproblemen mit und zeichnete die Haushaltsvorlage ab; die zuständigen Bundestagsausschüsse genehmigten sie. Das Geld floss ab. An der fehlenden Zulassung für den zivilen Luftraum scheiterte das Projekt am Ende.
Aus SPD-Sicht war mit den Aussagen eine Verteidigungslinie de Maizières schon zusammengebrochen, nämlich die These von einem "Geburtsfehler", der den Euro-Hawk von Anfang an begleitet habe und den er sozusagen nun ausbaden müsse. Man habe damals nach bestem Wissen gehandelt, sagte SPD-Obmann Rainer Arnold. Und selbst auch nicht die Reißleine gezogen, konterte der CDU-Abgeordnete Markus Grübel. Ungewöhnlich war, wie offen Scharping de Maizière angriff, wenn auch ohne Namensnennung. Denn der amtierende Minister hatte erklärt, er sei erst am 13. Mai dieses Jahres per Vermerk über das Scheitern des Projektes informiert worden und habe auch erst da Kenntnis von den Zulassungsproblemen erlangt. Scharping sagte, es gebe nicht nur eine Bringschuld der Beamten gegenüber der Spitze des Hauses, der Minister habe auch eine "Holschuld". Erst recht bei einem Projekt dieser Bedeutung und finanziellen Dimension. "Das kann man doch nicht der Routine einer Verwaltung überlassen."
Ob de Maizière das getan hat, wird sich etwas genauer womöglich schon heute und morgen erweisen, wenn hohe Beamte vernommen werden.
Spätestens nächste Woche kommt dann die Stunde der Wahrheit, wenn erst seine Staatssekretäre und am Mittwoch er selbst unter Eid aussagen müssen.
Dann wird es auch darum gehen, ob seine Aussage überhaupt faktisch stimmt. Mehrere interne Vermerke, die inzwischen aufgetaucht sind, legen eine andere Sicht nahe.
Extra

Euro-Hawk ist eine abgewandelte Version der US-Aufklärungsdrohne Global-Hawk, die als größtes unbemanntes Flugzeug der Welt gilt. Der Hauptunterschied ist die Aufklärungstechnik, die beim Euro-Hawk vom europäischen Konzern EADS gestellt wird. Die Drohnen selbst sind weitgehend identisch. Mit einer Länge von 14,5 Metern und einer Spannweite von 40 Metern haben sie fast die Ausmaße eines Passagierflugzeugs. Sie können bis zu 30 Stunden in der Luft bleiben und 18 Kilometer hoch fliegen. In diese Höhe dringt keine Passagiermaschine vor. Hersteller ist das US-Unternehmen Northrop Grumman, der sechstgrößte Rüstungskonzern der Welt. Der Euro-Hawk-Vertrag mit Northrop Grumman und EADS wurde zu Zeiten der großen Koalition am 31. Januar 2007 unterzeichnet. Geplant war ursprünglich die Anschaffung eines Prototyps und vier serienmäßig produzierter Maschinen. Seinen Jungfernflug absolvierte der Euro-Hawk im Juni 2010 in den USA. Ein Jahr später wurde die Drohne nach Deutschland überführt. Seit Dezember 2011 sind dem Verteidigungsministerium eigenen Angaben zufolge massive Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum bekannt. Am 14. Mai 2013 gab das Ministerium öffentlich bekannt, dass das Projekt gestoppt wird. Dem Staat - und damit dem Steuerzahler - waren zu diesem Zeitpunkt schon Kosten von mehr als einer halben Milliarde Euro entstanden. Die Euro-Hawk-Erprobung läuft bis zum 30. September weiter und wird weitere 3,3 Millionen Euro pro Monat kosten. dpa

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