Der Gigant gedeiht, der Zweifler zweifelt

Zeltingen-Rachtig · Auf der Riesenbaustelle der Hochmoselbrücke sollen noch dieses Jahr die mit Spannung erwarteten Bohrarbeiten am rutschgefährdeten Ürziger Hang beginnen. Wie sich nun zeigt, entstehen die Pfeiler dort in einer unerwarteten Reihenfolge: der Letzte kommt zuerst. Ein ehemaliger grüner Landtagsabgeordneter wittert politisches Kalkül. Der TV hat nachgeforscht - und eine Erklärung für das Mysterium gefunden.

Zeltingen-Rachtig. Inmitten sich verfärbender Weinberge wachsen die Pfeiler der Hochmoselbrücke Richtung Himmel. Vier der rund 160 Meter hohen Bauwerke stehen bereits. Drei weitere befinden sich derzeit im Bau. Sie liegen alle auf der geologisch unproblematischen Hunsrückseite der Brücke.
Jetzt geht\'s auf der Eifelseite los


Am Eifelhang, der wegen seines schwierigen Baugrunds im vergangenen Jahr für so viele Schlagzeilen gesorgt hat, soll noch 2014 mit dem Pfeilerbau begonnen werden. So mancher erwartet mit Spannung, ob dabei alles glattläuft. Bezeichnen Geologen den Ürziger Hang doch als rutschgefährdet und höchst sensibel.
Die Vorbereitungen laufen schon: Auf der Eifelseite haben die Arbeiten am Widerlager ganz oben ebenso begonnen wie die Ausschachtungen für den ersten Pfeiler ganz unten an der Mosel. Die B 53 ist daher im Baustellenbereich nur einseitig befahrbar. Eine Ampel regelt den Verkehr (der TV berichtete). Nach Auskunft des Landesbetriebs Mobilität werden jedoch zunächst die Bohrpfähle für den allerobersten und damit kürzesten Pfeiler im Ürziger Hang befestigt und erst danach für die weiter unterhalb gelegenen.
Dietmar Rieth, ehemaliges Landtagsmitglied der Grünen, wittert dahinter politisches Kalkül. Die bereits angekündigte Bauzeitverlängerung um zwei Jahre sei eine strategische Maßnahme, um nicht vor der nächsten Wahl erkennbare Probleme mit dem Rutschhang auf der Eifelseite zu bekommen, glaubt er. Daher würde nun mit dem unkritischsten Pfeiler am Eifeler Widerlager begonnen - statt wie geplant vom Hunsrück ausgehend einen Pfeiler nach dem nächsten herzustellen. Was laut Rieth ja auch logischer wäre, da der Stahlüberbau schließlich vom Hunsrück aus über die Mosel geschoben wird. Das und noch vieles mehr hat er auch dem Bundesverkehrsministerium geschrieben, mit der Aufforderung, das Ministerium solle doch ein unabhängiges Gutachten zur Standsicherheit der Pfeiler erstellen.
"Nun ist es ja nicht so, dass man eine Brücke irgendwie unter politischen Gesichtspunkten planen könnte. Das geschieht natürlich nach rein ingenieurtechnischen Gesichtspunkten", sagt dazu Christoph Gehring, Pressesprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums und verweist an den Landesbetrieb Mobilität (LBM).
Lückenlose Arbeitsauslastung


Der sagt, der Bauablauf liege im Ermessen des beauftragten Unternehmens. "Zusammenhänge mit Wahlterminen herzustellen, ist völlig aus der Luft gegriffen", heißt es auch vom LBM. Aber aus welchem technischen Grund wird denn nun als Erster jener Pfeiler gebaut, der doch der Letzte sein wird, auf den das Brückenoberteil vom Hunsrück aus geschoben wird? Die Antwort des LBM ist zwar kompliziert, aber einleuchtend. Es gehe darum, den Arbeitsablauf so zu organisieren, dass die Arbeiter immer etwas zu tun haben.
An den meisten Pfeilern wird mit sogenannten Kletterschalungen gearbeitet. Das heißt: Die Gussform, in die der Frischbeton für die Pfeiler gegossen wird, "klettert" samt Gerüst peu à peu immer höher, bis der Pfeiler fertig ist. Insgesamt sind zwei davon im Einsatz. "Beim Bau der Pfeiler mittels Kletterschalung fallen immer wieder Zeiten an, in denen die Betonbauer und Eisenflechter nicht ausgelastet sind, zum Beispiel, wenn der Beton aushärtet oder während des Kletterprozesses. In dieser Zeit wird das Personal in Bereichen mit normaler Schalung eingesetzt", sagt Verena Blümling, Pressesprecherin des LBM. Dies sind derzeit nur noch der unterste Teil des Pfeilers, der auf der Hunsrückseite neben der Mosel entsteht, sowie das Widerlager und der oberste Pfeiler an der Eifelseite. Somit sei es plausibel, dass der Auftragnehmer die Arbeitsabläufe so koordiniert, dass nach Fertigstellung des unteren Pfeilerteils die Vorarbeiten am Widerlager Eifel und am ersten Pfeiler soweit gediehen sind, dass für die Betonbauer und Eisenflechter eine lückenlose Weiterbeschäftigung möglich ist.
So logisch das klingt - Rieth lässt sich nicht überzeugen. Stattdessen lacht er. Da habe sich der LBM aber wirklich den Kopf zerbrochen, um eine plausible Erklärung zu finden, sagt er. Der grüne Rebell will in Berlin weiter darauf pochen, dass der Bund als Financier ein unabhängiges Gutachten darüber erstellen lässt, ob die Pfeiler im rutschigen Ürziger Hang sicher stehen.

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