Der Maut-Minister haut die Grünen

Berlin · Wer in der Bundestagsdebatte über die geplante PKW-Maut auf deutschen Straßen etwas Neues erfahren will, wird enttäuscht. Der zuständige Bundesverkehrsminister schimpft in seiner Rede fast nur auf die Grünen.


Berlin. Kurz vor Ende der Rede von Alexander Dobrindt wird es der Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann dann doch zu bunt. Sie meldet sich zu einer Zwischenfrage. Der Verkehrsminister habe 16 Minuten Redezeit, spottet sie. Ob er zumindest drei Minuten davon verwenden könne, "etwas Konkretes zum Gesetzentwurf zu sagen". Sogar die SPD applaudiert. Bis dahin hat sich Dobrindt mit der Devise begnügt: Schlag die Grünen.
Die Maut, offiziell Infrastrukturabgabe genannt, ist gestern im Bundestag in die parlamentarische Beratung gestartet. Die Gesetzentwürfe liegen allerdings schon seit Wochen auf dem Tisch, vieles ist von vielen schon dazu gesagt worden. In der Debatte werden also von Gegnern wie Befürwortern die Kampfparolen wiederholt: Die einen nennen das CSU-Projekt "Schwachsinn" und "ein Bürokratiemonster". Es sei sogar eine "Pegida-Maut", so die Linke, da sie nur gegen Ausländer gerichtet sei. Die anderen sprechen von einem "neuen Kapitel" in der Infrastrukturfinanzierung. "Wer mitnutzt, der zahlt mit", so Dobrindt.
Oder aber sie reden wie SPD-Mann Sören Bartol gequält davon, dass das Vorhaben nun mal im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Wirklich wohl scheint sich mit der Umsetzung des Plans nur einer zu fühlen: Alexander Dobrindt. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass die Maut nach Abzug aller Kosten 500 Millionen Euro zusätzlich für den Verkehrsetat bringt, deutsche Autofahrer nicht belastet werden und sie nicht gegen Europarecht verstößt.
Zumindest hat der Auftritt des Bajuwaren die Attitüde, es allen gezeigt zu haben, die an der Machbarkeit der Maut und an ihm als Minister zweifelten. Ab jetzt wird zurückgekeilt. In bester CSU-Generalsekretär-Manier, der Dobrindt ja mal war, kanzelt er vom ersten Satz an die Grünen ab. "Nur wenn\'s um die Abzocke der heimischen Autofahrer geht, werden sie kreativ", ereifert sich der Minister. Man breche mit dem "grünen Verkehrspessimismus". Außerdem habe sich die Oppositionspartei in den letzten 40 Jahren verkehrspolitisch nicht weiterentwickelt. Und, und, und.
Als Dobrindt noch "General" seiner Partei war, galt er als "Grünenfresser" - so hart waren die Scharmützel des heute 44-Jährigen mit den Ökopaxen. Seine Rede im Bundestag knüpft an die alte Zeit an. Sie wendet sich mehr an die bayerischen Stammtische als an den Rest des Autofahrerlandes. Da hat, so könnte man annehmen, jemand offenbar mehr im Sinn. Denn ist die Maut erst einmal installiert, was Anfang 2016 der Fall sein soll, hat der Minister ein Meisterstück vollbracht, das ihm die wenigsten zugetraut haben.
Im Auftrag seines Parteichefs Horst Seehofer koordiniert Dobrindt auch schon die Riege der drei CSU-Minister. Und dank der Maut könnte der Diplom-Soziologe sogar ein ernstzunehmender Kandidat für die Seehofer-Nachfolge als Parteichef und/oder Ministerpräsident werden.

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