"Der beste Schutz: Prävention"

Das Bundeskabinett hat gestern eine Verschärfung der Gesetze gegen Kinderpornografie beschlossen. Im TV-Interview erläutert Justizminister Heiko Maas (SPD) unserem Korrespondenten Werner Kolhoff den Sinn der von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen.

Sie wollen das Sexualstrafrecht im Bereich Kinderpornografie verschärfen. Ist das eine Reaktion auf den Fall Edathy?
Heiko Maas: Die breite Diskussion hat insgesamt gezeigt, dass es in unserem Strafrecht Lücken gibt. Diese Lücken schließen wir jetzt. Wir wollen insbesondere Kinder und Jugendliche konsequenter vor sexueller Gewalt schützen. Sie sind solcher Gewalt wehrlos ausgeliefert und werden oft für lange Zeit traumatisiert.

Edathy hatte aus Kanada Bilder bezogen, die zunächst nicht als Kinderpornografie eingestuft wurden. Wird das korrigiert?
Maas: Wir erweitern die Strafbarkeit: Unbefugt hergestellte Nacktbilder insbesondere von Kindern und Jugendlichen dürfen nicht im Internet verbreitet werden - egal in welcher Pose die Kinder abgebildet und wie diese Bilder eingestuft sind. Mit solchen Fotos darf niemand schmutzige Geschäfte machen.

Sie wollen auch das Veröffentlichen bloßstellender Bilder unter Strafe stellen, auf denen Menschen lächerlich gemacht werden. Solche kursieren massenhaft im Netz. Schaffen Sie nicht eine rechtliche Grauzone und eine Prozessflut?
Maas: Nein. Wir schaffen mehr Klarheit: Alles, was zu unserem Alltag gehört, etwa Fotos, die Eltern von ihren Kindern am Strand machen - das wird natürlich nicht erfasst. Strafbar ist nur, was "unbefugt" geschieht. Und: Nur solche Bilder, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, sollen nicht hergestellt und verbreitet werden. Mit einer solchen Verbreitung beginnt zumeist auch das sogenannte "Cybermobbing", was furchtbare Folgen für die Betroffenen haben kann. Auch eine Prozessflut wird es nicht geben. Denn ob es tatsächlich zu einem Verfahren kommt, entscheidet zunächst der Betroffene.

Beispiel: Nach den Ausschreitungen gegen Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen ging 1992 das Foto eines betrunkenen Randalierers mit Deutschland-T-Shirt um die Welt, der sich eingepinkelt hatte. Wäre das künftig verboten, würde das sogar eine Einschränkung der Pressefreiheit bedeuten.
Maas: Keine Sorge. Presseberichterstattung bleibt völlig uneingeschränkt möglich. Was vom Presserecht beziehungsweise nach Artikel 5 des Grundgesetzes von der Pressefreiheit gedeckt ist, passiert nicht "unbefugt" im Sinne unserer Neureglungen.

Sie wollen Verjährungsfristen verlängern und Strafen verschärfen. Kann das Täter abhalten?
Maas: Wir wollen nicht, dass die Täter ungeschoren davonkommen, nur weil die Opfer erst spät über die Tat reden können. Deshalb geben wir den oftmals traumatisierten Opfern mehr Zeit, zu entscheiden, ob sie Anzeige erstatten wollen.

Was nutzen alle Gesetzesverschärfungen, wenn die Strafverfolgungsbehörden unterbesetzt sind?
Maas: Wir müssen alles tun, um die Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Aufklärungsarbeit zu unterstützen. Es darf jedenfalls kein Fall von sexuellem Kindesmissbrauch unbearbeitet bleiben.

Was tun Sie, um die Prävention zu verbessern? Wird es auch mehr Therapieangebote für pädophil Veranlagte geben, die sich nicht strafbar machen wollen?
Maas: Ganz klar: Der beste Opferschutz ist Prävention. Deswegen haben wir unsere finanzielle Unterstützung für das Präventionsnetzwerk Kein-Täter-Werden deutlich erhöht. Wir müssen Menschen mit pädophilen Neigungen frühzeitig helfen, damit es möglichst erst gar nicht zu sexuellen Übergriffen kommt.wkExtra

Wichtige Änderungen: Das maximale Strafmaß für den Besitz von Kinderpornografie wird von zwei auf drei Jahre erhöht. Die sogenannten Posingbilder sollen künftig als Kinderpornografie gelten. Cybermobbing: Wer ohne Erlaubnis etwa Nacktbilder oder Gewaltszenen aufnimmt, im Internet verbreitet und so dem Ansehen des Abgebildeten erheblich schadet, muss eher mit Strafen rechnen als bisher. Die Verjährungsfrist für sexuelle Übergriffe auf Minderjährige wird verlängert. Der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen wird erweitert. dpa

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