Der mühsame Weg aus der Gleichgültigkeit

Trier · Dem Arbeitsmarkt in der Region Trier geht’s gut. So gut wie sonst kaum irgendwo in der Bundesrepublik. Denn die Arbeitslosigkeit ist niedrig, viele Betriebe finden nicht genug Fachkräfte. Dabei wird häufig eine Gruppe übersehen, die wenig von dem Erfolg profitiert: die der Langzeitarbeitslosen. Fast 3300 von ihnen gibt es in der Region, Tendenz steigend.

 Wer den Gang zum Jobcenter antritt, hat oft bereits jahrelang keine dauerhafte Arbeit gehabt.

Wer den Gang zum Jobcenter antritt, hat oft bereits jahrelang keine dauerhafte Arbeit gehabt.

Foto: Jens Büttner (g_mehrw

Wer Peter Schneider (Name geändert) sieht, wird ihn kaum der wohl problematischsten Klientel am Arbeitsmarkt zuordnen - den Langzeitarbeitslosen. Schneider, Mitte 40, adrett mit beiger Bundfaltenhose und hellblauem Hemd gekleidet, reicht freundlich die Hand, ist im Gespräch offen und eloquent. Warum findet so jemand nicht dauerhaft einen Job, zumal er doch Abitur, einige Semester Wirtschaft studiert und auch sonst schon allerlei Jobs und Weiterbildungen ausprobiert hat?

"Ein wenig fragen wir uns das auch", sagt Marita Wallrich, Leiterin des Jobcenters Trier. Denn langzeitarbeitslos, das hört sich nach sozial schwach an, dem Alltag nicht gewachsen, ohne Lebensinhalt, ohne Perspektive. Doch so einfach ist es nicht. "Langzeitarbeitslosigkeit hat keine Massenursache, sondern ist sehr individuell", erklärt Wallrich. Und Schneider ist ein gutes Beispiel dafür.

"Ich habe vieles ausprobiert, verschiedene Branchen gesehen, aber nichts hat dauerhaft gepasst", blickt er zurück. Es kamen Absagen, immer wieder. "Am Anfang regt man sich noch darüber auf, später bin ich einfach nur noch gleichgültig geworden", sagt Schneider. Da er im Haus der Eltern mit der Mutter wohnt, Sparsamkeit gewohnt ist, "hat mir materiell nicht viel gefehlt". Aber Wertschätzung.

Über ein Programm des Europäischen Sozialfonds (ESF) hat Schneider im Januar nun genau das bekommen, eine Aufgabe und Anerkennung für das, was er tut: Er ist Hilfskraft in einem Trierer Verwaltungsbüro geworden, arbeitet den Kollegen zu. "Dort, wo Fachkräfte fehlen, muss man eben die vorhandenen Fachkräfte von Tätigkeiten entlasten, für die auch Helfer geeignet wären", erklärt Jobcenter-Chefin Wallrich eines der Probleme am Arbeitsmarkt.

Aus jedem Langzeitarbeitslosen das Potenzial herauszukitzeln, "für jeden Deckel einen Topf zu finden", das ist das Prinzip des Programms, sagt Erwin Britz, Teamleiter Integration beim Trierer Jobcenter. Und deshalb gibt es für Arbeitgeber, die einen Langzeitarbeitslosen einstellen, nicht nur einen Lohnkostenzuschuss (allein für Trier fünf Millionen Euro) wie bisher schon. Ein Coach betreut den neu gewonnenen Arbeitnehmer bis maximal drei Jahre durch dick und dünn, hilft Probleme der Kinderbetreuung und Mobilität zu lösen sowie bei Schulden zu helfen.

Kernkompetenzen wie ein Schulabschluss oder eine Ausbildung seien zwar oft vorhanden, lägen aber weit zurück: "Langzeitarbeitslose haben sich oft mit ihrer Lage arrangiert. Ein normaler Job bedeutet viel Stress für sie", weiß Jürgen Hopf, der das Programm für die Stadt Trier koordiniert. Rund 50 Menschen hat das Trierer Jobcenter bereits vermittelt, rund 1000 Langzeitarbeitlose über 35 Jahre könnten insgesamt von dem Programm profitieren.

"All diese Menschen sind lediglich mit einer Bewerbung verloren. Wir sind ein Türöffner und nehmen mit ihnen die erste Hürde in den Job", sagt Wallrich. Eine Hürde, die auch Peter Schneider allein nicht mit Kraft und sozialen Kompetenzen gemeistert hätte. "Ich war zu Beginn sehr unsicher, habe mir nicht mehr viel zugetraut", gesteht er. Und so ganz traut er dem bisherigen Erfolg noch immer nicht: "Ich werde mir nach und nach erst etwas leisten. Und wenn ich bleiben kann, möchte ich gern eine Weiterbildung zum Fachwirt machen."sas

Neben dem Jobcenter Trier beteilgen sich auch die Ämter in Trier-Saarburg und Bernkastel-Kues an dem Programm.Mehr zum Thema

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