"Die Deutschen haben dazugelernt"

Überall in Deutschland werden Flüchtlinge herzlich begrüßt. Nach Ansicht des früheren Bischofs und Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Wolfgang Huber (Foto: dpa), ist das "praktizierte Nächstenliebe", wie er im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Hagen Strauß sagt.

"Die Deutschen haben dazugelernt"
Foto: ARRAY(0x170402968)



Herr Huber, sind Sie von ihren Mitbürgern überrascht?
Wolfgang Huber: Es war schon lange zu beobachten, dass die Bürger eine große Bereitschaft haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber dass dies jetzt in einer solchen Breite und Herzlichkeit geschieht, das überrascht positiv, und ich freue mich sehr darüber.
Haben Sie dafür ein Erklärung?
Huber: Die Deutschen haben in den letzten Jahrzehnten viele Gelegenheiten gehabt, dazuzulernen. Ich erinnere an den Asylkompromiss Anfang der 90er Jahre, gegen den viele Menschen auf die Straße gegangen sind. Da hat man schon gemerkt, dass unser Land in Bewegung ist. Inzwischen haben wir alle dazugelernt. Wir wissen, dass wir keine geschlossene Gesellschaft mehr sind. Viele Bürger bewegt es auch, in welcher existenziellen Not ein ganz großer Teil der Flüchtlinge ist.

Die Willkommenskultur ist offenkundig da. Sind die Bürger ihren Politikern voraus?
Huber: So würde ich das nicht sagen. Die Politik hat versucht, diese Entwicklung zu stützen und zu stärken. Das war nötig, denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch eine Gegenentwicklung haben: eine Abwehr von Fremden, gestützt auf die anmaßende Behauptung, das Abendland verteidige man durch die Ausgrenzung von Fremden. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Entscheidend für unsere Werteordnung ist der Respekt vor der gleichen Würde jedes Menschen. Die Unterstützung von Flüchtlingen sehe ich als Ausdruck praktizierter Nächstenliebe.

Wie lange wird diese Freundlichkeit andauern?
Huber: Hoffentlich so lange, wie sie gebraucht wird - und gebraucht wird sie immer. Aber jeder weiß auch, wir können diesen Beistand nicht unbegrenzt leisten. Wir müssen deshalb einfordern, dass die Lasten der Flüchtlingsbewegung auf Dauer gerecht in Europa verteilt werden. has

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