Die Diagnose Prostatakarzinom vor fünf Jahren veränderte alles – Wie Winfried K. und seine Frau das Weiterleben meistern

Bitburg · Die Diagnose Prostatakrebs betrifft vor allem ältere Männer über 65 Jahre. Als Winfried K. von seiner Erkrankung erfuhr, war er 47 Jahre alt. Knapp fünf Jahre später prägt der Krebs noch immer sein Leben – und das seiner Familie.

Das hübsche Einfamilienhaus von Winfried und Sabine K. steht in einem kleinen Ort in der Südeifel. Der große Garten ist gepflegt. Viel Rasen und ein kleines Hochbeet sind das, was von dem ehemals prächtigen Nutz- und Staudengarten übrig geblieben ist. "Wir haben auch die Bäume fällen lassen, als klar geworden ist, dass schwere Gartenarbeit nichts mehr für mich ist", sagt Winfried K. Der Blick des 51-Jährigen wird dabei wehmütig.

Wir sitzen in der geräumigen Wohnküche, um darüber zu sprechen, wie es ist, mit Krebs zu leben. Sabine K. hat Kaffee und Kuchen gemacht. Die freundliche Frau ist ebenfalls spürbar angespannt. Schließlich ist es auch für den Lebenspartner nicht immer leicht, mit den Folgen einer Tumorerkrankung zu leben.

Knapp fünf Jahre sind seit der Untersuchung vergangen, bei der im Blut von Winfried K. ein deutlich erhöhter Tumormarker (siehe Extra) gemessen wurde. Zweimal im Abstand von drei Monaten musste K. danach noch zur Blutanalyse. Die Werte wurden immer schlechter. "Machen Sie sich keine Sorgen, hat mein Urologe gesagt, als er mir die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Prostata empfohlen hat," erinnert er sich. "Als ich dann beim Arztgespräch den dicken Stapel Formulare und Überweisungen auf dem Schreibtisch gesehen habe, wusste ich, was los war."

Die Diagnose Prostatakrebs betrifft zwar vor allem ältere Männer über 65 Jahre. Bei erblich bedingten Erkrankungen kann der Krebs aber auch früher auftreten. "Mein Opa war an Krebs gestorben", sagt Winfried K.

Der Blick des ehemaligen Metallhandwerkers schweift ab, als er davon erzählt, wie er im Brüderkrankenhaus Trier und in der Uniklinik Aachen Zweitmeinungen eingeholt hat, die zu keiner anderen Empfehlung kamen: Operieren!
"Wenn man so etwas gesagt bekommt, dann sitzt man zuhause und wälzt die Gedanken, wiedie Zukunft sein wird. Damals ist mir versichert worden, ein solcher Eingriff habe keine großen Auswirkungen, das ärgert mich schon. Denn inzwischen weiß ich, dass das nicht stimmt."

Die Gefahr von Inkontinenz und Impotenz sind es, die Prostatakrebs zu einem Tabuthema machen. Nur wenn der Tumor nicht zu groß ist und der Eingriff entsprechend nervenschonend vorgenommen werden kann, haben die Betroffenen eine Chance, ihre Potenz wieder zu erlangen.

Sabine K. erinnert sich an den ersten Krankenhausbesuch nach der OP: "So ein Häufchen Elend habe ich selten gesehen." Besonders gut sei es ihrem Mann aber auch zehn Tage später bei der Entlassung nicht gegangen. "Da ging es mir total schlecht", versichert Winfried K., der bereits eine Woche später zur Reha in Bad Wildungen antrat. "Manche Übungen und Angebote konnte ich damals wegen des unkontrollierbaren Harndrangs nicht wahrnehmen. Ich hätte meine Einlagen gar nicht schnell genug wechseln können."

Der Blick des 51-Jährigen sucht erneut einen Fixpunkt auf dem Esszimmertisch, bevor er weiterspricht. "Leider ist dieses Problem bis heute nicht ganz verschwunden. Ich könnte mich noch einmal operieren lassen, aber das will ich nicht."

So gehören gymnastische Übungen zur Stärkung des Beckenbodens seit fast fünf Jahren zum Alltag des Mannes, der nicht mehr schwer heben darf und deshalb auch seinen alten Beruf nicht mehr ausüben kann. "Mein Arbeitgeber hat mich aber zum Glück als Schwerbehinderter in einem anderen Bereich untergebracht." Dünnhäutig sei er geworden. Kurzes Schweigen. "Das liegt auch daran, dass man mir äußerlich nichts ansieht." Er zeigt in Richtung Bauchnabel. "Aber hier drin fehlt etwas."

Einfach waren die vergangenen Jahre auch für die 50-jährige Sabine K. nicht. Ebenso wie ihr Mann hat sie die Hilfe von Psychologen gesucht, um die eigenen und gemeinsamen Sorgen zu verarbeiten. Das wichtigste Erlebnis sei aber die zeitgleiche Kur in der Reha-Klinik Bad Salzig vor einem Jahr gewesen. "Beim Antragsverfahren hat uns die Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz unglaublich viel geholfen, sodass es im dritten Anlauf geklappt hat."

Paargespräche gab es in Bad Salzig nicht, auch kein gemeinsames Zimmer, dafür aber die Bekanntschaft mit vielen Menschen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. "Wir haben neue Freunde aus dem ganzen Land gefunden, mit denen wollen wir uns nun regelmäßig treffen."

Da gebe es ein gemeinsames Verständnis dafür, was die Diagnose Krebs bedeutet, sagt Winfried K. Einmal im Monat fährt er nach Trier, um sich bei der Krebsgesellschaft mit einigen Betroffenen zu unterhalten. "Es geht da aber um allgemeine Themen, das tut gut."

Der attraktive Mann, dem die Erkrankung nicht anzusehen ist, richtet den Blick in den Garten. "Viele Nachbarn und Kollegen wissen nichts. Wir tragen das auch nicht hinaus." Nur mit guten Freunden sprechen Winfried und Sabine K. offen; und natürlich mit der Familie, denn es geht auch darum, ob weitere Verwandte betroffen sind. "Meinem Bruder habe ich dringend geraten, sich untersuchen zu lassen. Der Krebs, den sie bei ihm gefunden haben, war dann schon viel weiter."

Inzwischen hat er auch seinen erwachsenen Söhnen nahegelegt, den Bluttest zu machen und - falls die Werte für den Tumormarker PSA hoch sind - regelmäßig zu wiederholen.

Das schmucke Einfamilienhaus mit dem pflegeleichten Garten in der Südeifel lässt nichts von der Verzweiflung und den Hoffnungen hinter seinen Mauern vermuten. Diagnose Krebs. Winfried und Sabine K. haben alle Probleme gemeinsam bewältigt. "Es gibt auch Tage, die sind schlecht", sagt der 51-Jährige, der alle drei Monate zur Nachsorgeuntersuchung geht. Ehefrau Sabine nimmt diese Tage hin, auch wenn es manchmal schwierig ist: "Er ist noch da, alles andere ist nicht wichtig."Extra

PSA-Test

Das prostataspezifische Antigen (PSA) ist ein Tumormarker, der im Blut gemessen wird. Liegt der Wert über dem Normwert, kann das auf eine Tumorerkrankung der Prostata hindeuten. Aussagekräftiger als ein einzelner Wert ist jedoch die Entwicklung des PSA-Werts. Der PSA-Test wird zu Früherkennungszwecken bislang nicht von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt, sondern nur bei konkretem Tumorverdacht. red
Quelle: Das Handbuch gegen Krebs (ISBN 978-3-89883-448-3)

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