EU-Kennzeichnungspflicht für Zigaretten: "Die Politiker sollten andere Prioritäten setzen"

Trier/Luxemburg · Alarmstimmung bei den Tabakkonzernen. Durch das Gesetzesvorhaben der EU befürchten sie Kosten in Millionenhöhe. Der Schaden durch Zigarettenschmuggler sei damit aber nicht umfassend einzudämmen.

Trier/Luxemburg. Als luxemburgische Zollbeamte auf dem Cargocenter am Flugplatz Findel in einer türkischen Frachtmaschine fündig wurden, war es einer der größten Erfolge der Behörde: 25,31 Millionen gefälschte Zigaretten - das entspricht etwa 1,3 Millionen Schachteln - der Marke Palace durften sie beschlagnahmen. Die illegale Ware kam aus Dubai und sollte vermutlich auf dem europäischen Schwarzmarkt verkauft werden. In Deutschland wäre der Staat dadurch um mehr als fünf Millionen Euro geprellt worden.
Der Tipp an die Zollfahndung kam von dem Tabakkonzern Japan Tobacco International (JTI), der mit seinem Werk in Trier als größter Arbeitgeber gilt.

Fahndungserfolge wie diese im Jahr 2012 gibt es heute nur noch selten. Das klassische Schmugglergeschäft mit legal hergestellten Zigaretten geht stark zurück. Das zeigt auch der Blick in die Statistik der deutschen Zollverwaltung. Nach 147 Millionen beschlagnahmten Zigaretten im Jahr 2013 und 140 Millionen im Folgejahr wurden 2015 nur noch 75 Millionen Glimmstängel eingezogen. "Zurückzuführen ist dies auf ein verändertes Verhalten von Tätern, die zunehmend legale und illegale Warenströme miteinander verknüpfen", heißt es dazu aus dem Bundesfinanzministerium. Die Ermittlungsverfahren seien komplexer und zeitaufwendiger geworden.
Zwar sind laut Zollverwaltung in den ersten beiden Monaten 2016 bereits 46 Millionen Zigaretten sichergestellt worden. Ob sich dieser Trend fortgesetzt hat, wird aber erst Anfang 2017 klar sein, wenn erneut eine Jahresbilanz gezogen wird.Keine spektakulären Fälle


Darauf verweist auch das Hauptzollamt Koblenz, das nach eigener Aussage keine eigenen Daten für die Region Trier erhebt. Auf Anfrage des Trierischen Volksfreunds bestätigte das Amt allerdings, dass es im vergangenen Jahr keinen spektakulären Fall von Zigarettenschmuggel gegeben habe. Dass dennoch auf dem europäischen Schwarzmarkt das Geschäft mit Tabak blüht, steht außer Frage. Vor allem sind es organisierte Banden, die Zigaretten unter Fantasienamen produzieren und zu Dumpingpreisen verkaufen. Weil diese Produkte aber von keiner Kennzeichnungspflicht erfasst werden, halten auch die regionalen Tabakunternehmen das geplante EU-Vorhaben für zu teuer und wenig effektiv: Jede Zigarettenschachtel soll gekennzeichnet und an jeder Stelle des Transportes zum Händler erfasst werden.

"Das Thema Track&Trace macht mich böse", sagt Hajo Fischer, Geschäftsführer von Landewyck Deutschland in Trier. "Ich halte es für einen bezeichnenden politischen Irrweg unserer Zeit, wenn Politiker stur an Entscheidungen festhalten, bei denen allein der gesunde Menschenverstand ausreicht, um nachzuvollziehen zu können, dass die Zielsetzung gar nicht erreicht werden kann. Kriminelle Organisationen werden sich ja wohl kaum an EU-Vorschiften halten."

Heike Maria Lau hat Verständnis für solch deutliche Worte. Die Leiterin für Politik und Unternehmenskommunikation bei JT International Deutschland verweist auf ein bereits bestehendes Rahmenübereinkommen der großen Tabakkonzerne mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs. Das verpflichte die Unternehmen bereits jetzt zu einer lückenlosen Kennzeichnung ihrer Ware. "JTI hat sich den Kampf gegen illegalen Tabakhandel zur zentralen Aufgabe gemacht. Wir arbeiten bereits mit einem fortschrittlichen System zur Rückverfolgung unserer Produkte, so dass unsere Ware die legale Lieferkette nicht verlässt und im Zweifel zurückverfolgt werden kann." Den größten Anteil am Schmuggel bilden auch nach Ansicht der JTI-Sprecherin Zigarettenfälschungen und Schwarzmarken, die über das neue EU-Kennzeichnungssystem nicht zu erfassen wären. "Die Aufdeckung dieser kriminellen Aktivitäten sollte eine Priorität der Gesetzeshüter sein."Extra

Japan Tobacco International ist in der Region Trier mit über 2000 Mitarbeitern der größte private Arbeitgeber. Das Trie-rer Werk produziert jährlich etwa 50 Milliarden Zigaretten, davon über 85 Prozent für den Export. JTI vertreibt in Deutschland bekannte Marken wie Camel, Benson&Hedges sowie Winston. Die Japan-Tobacco-Unternehmensgruppe mit Firmenzentrale in Genf ist in mehr als 120 Ländern tätig und verbuchte 2015 einen Nettoumsatz von 10,3 Milliarden US-Dollar. Die Heintz van Landewyck GmbH, Deutschland, ist 100-prozentige Tochter des Landewyck Tobacco.SA Luxemburg/Landewyck Group SARL mit international 1800 Mitarbeitern. Trier ist der Produktionsstandort für Tabak zum individuellen Drehen und Stopfen von Zigaretten. Hier arbeiten 300 Beschäftigte. Umsatz 2015: 871 Millionen Euro; Jahresproduktion rund 5000 Tonnen Feinschnitt, das entspricht fünf bis sechs Milliarden Zigaretten. Landewyck in Trier ist zudem Vertriebsstandort für die im Mutterwerk Luxemburg hergestellten Zigaretten auf dem deutschen Markt (z. B. Ducal, Boston, Giants etc.) r.n.

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