Die Tricks der Verschleierungsbranchen - Ausländische Bankkonten sind für Steuerbetrüger nicht mehr sicher

Trier · Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Davon kann Uli Hoeneß ein Lied singen. Der Ex-Bayern-Präsident, Frauenrechtlerin Alice Schwarzer oder auch der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel gehören zu den prominentesten aufgeflogenen Steuersündern. Dass sie ertappt wurden, hat die Zahl der Selbstanzeigen auch in der Region Trier explodieren lassen.

Das Finanzamt Trier kann sich vor Selbstanzeigen kaum retten. Die Zahl der Mitarbeiter in der Abteilung ist kräftig aufgestockt worden, dennoch stapeln sich die zu bearbeitenden Fälle auf den Schreibtischen weiter an. 2014 hat das Finanzamt Trier in Sachen Selbstanzeigen ein unglaubliches Jahr erlebt. 937 Steuersünder aus der Region haben dem Finanzamt ihre Betrügereien erklärt und hoffen nun, dass sie straffrei ausgehen. 217 waren es im Dezember, in diesem einen Monat waren das somit mehr als in jedem anderen Jahr zuvor. Seit dem ersten Boom vor fünf Jahren sind es insgesamt mehr als 1400 Fälle (siehe Extra).

Betrüger aufgeschreckt

Dass sich Steuerbetrüger selbst beim Finanzamt anzeigen, hat gute Gründe. Schließlich bleiben die Steuerhinterzieher, wenn sie sich an das enge Korsett der Selbstanzeige (siehe Hintergrund) halten, straffrei. Doch der Boom geht sicher in den meisten Fällen nicht auf ein plötzlich aufkommendes Schuldbewusstsein zurück. "2010 sind die ersten CDs mit Bankdaten von ausländischen Anlegern bei Schweizer Banken aufgetaucht", erklärt der Chef des Finanzamtes Trier, Jürgen Kentenich. Damit mussten Anleger befürchten, dass Steuerfahnder von ihren nicht beim deutschen Finanzamt erklärten Zinseinkünften erfahren. In solchen Fällen droht sogar eine Haftstrafe. Während die beiden folgenden Jahre in Sachen Selbstanzeige recht ruhig verliefen, kam Ende 2012 wieder Bewegung in die Sache.

Neue Strategien

"Damals scheiterte das von der Bundesregierung angestrebte bilaterale Abkommen mit der Schweiz im Bundesrat. Steuerbetrüger wie Uli Hoeneß oder Alice Schwarzer wurden nervös", sagt Kentenich. Die Selbstanzeige des damaligen Bayern-Präsidenten war anscheinend mit heißer Nadel gestrickt und unvollständig. Die Konsequenz: eine dreieinhalbjährige Haftstrafe. "Das hat bundesweit viele Betrüger aufgeschreckt", erklärt der Finanzamtsvorsteher.

Doch auch die Möglichkeiten, mit im Ausland versteckten Konten Zinseinkünfte vor dem deutschen Finanzamt zu verheimlichen, werden immer geringer. Seit 2013 betreiben die Schweizer Banken die sogenannte Weißgeldstrategie. Dabei fordern sie ihre ausländischen Anleger auf, die Zinseinkünfte im Heimatland zu versteuern. Diesem Beispiel folgen derzeit auch im großen Stil luxemburgische Geldinstitute. "Die Banken haben das Interesse an den Privatanlegern verloren. Niedrige Zinsen und die Verpflichtung der Länder zur Selbstauskunft in diesem Bereich machen die Geschäfte häufig unlukrativ", meint Kentenich. Den Steuerbetrügern sei damit der wichtigste Erfüllungsgehilfe abhanden gekommen. Inzwischen haben sich weltweit die wichtigsten Staaten auf einen Informationsaustausch zu den Konten ausländischer Anleger verständigt. "Wir können den Bereich der Bankdaten eigentlich abhaken", findet Jürgen Kentenich. Doch vermögende Kunden haben neben Standard-Auslandkonten viele weitere Anlageformen, um Schwarzgeld zu parken. "In Zukunft wird es darum gehen, welche Gelder in Fonds, in Stiftungen, in Vermögensverwaltungen, Aktiengesellschaften und Lebensversicherungen angelegt sind", sagt der Finanzamtschef. Nach seiner Ansicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Daten den Fahndern zur Verfügung stehen.

Ende Oktober 2014 haben sich rund 50 Staaten bei der Berliner Tax-Konferenz auf einen Informationsaustausch auch in diesen Bereichen verständigt. Zinsauskünfte aus Fonds, Trusts, Stiftungen oder anderen Vermögenswerten werden dann zukünftig dem Heimatland der Anleger angezeigt. Mit dabei sind Staaten wie Luxemburg, Liechtenstein oder Malta. Und am 14. Januar hat auch der Schweizer Bundesrat dafür gestimmt. Das Gesetz muss aber noch durch das Schweizer Parlament. Nach Schätzungen von Experten könnte diese erweiterte Selbstauskunft 2017 greifen mit Daten ab 2015.

Damit würde ein weiteres Schlupfloch für Steuerbetrüger geschlossen. Für Steuerhinterzieher ist dies nicht ganz ungefährlich. Denn eine Voraussetzung der strafbefreienden Selbstanzeige ist, dass alle nicht versteuerten Zinseinkünfte angezeigt werden. Wer also in einer ersten Selbstanzeige seine Einkünfte aus ausländischen Bankkonten angezeigt und weiter Einkünfte aus anderen Anlagevermögen unterschlagen hat, kann nur bei vollständiger Selbstanzeige straffrei aus der Sache herauskommen.

Einheitliches Register

Und die "Verschleierungsbranchen" (Kentenich) arbeiten weiter unter Hochdruck an neuen Produkten, um die Steuerlast vermögender Kunden zu minimieren. Demnach werden zurzeit vor allem Kapitalanlagen als Lebensversicherung angeboten, die die Zinseinkünfte der Anleger verschleiern. "Solche getarnten Versicherungsprodukte wollen die Steuerpflicht umgehen", sagt Kentenich. Sie sprechen entweder Gutgläubige an oder eben jene, die weiter Steuern hinterziehen wollen.

Doch nach Luxleaks und anderen europäischen Skandalen hofft der Finanzamtschef, dass die Zusammenarbeit der Staaten weitergeht. "Was vor allem noch fehlt, ist ein Register, das zeigt, wer die wirtschaftlich Berechtigten hinter einer Firma sind", sagt Kentenich. Aber hier gibt es nun erste politische Vorstöße. Der politische Wille, Steuerbetrüger zu überführen, scheint weiter zu wachsen.

Durch die erste Veröffentlichung von Bankdaten aus der Schweiz auf sogenannten Steuer-CDs steigt von 2010 an die Zahl der Selbstanzeigen in der Region Trier.

2010 gab es einen ersten Boom: 174 Steuerbetrüger haben ihre verheimlichten Zinseinnahmen dem Finanzamt offen gelegt. In den beiden folgenden Jahren ist die Zahl der Selbstanzeigen deutlich zurückgegangen. 2011 haben sich noch 54 Steuerbetrüger angezeigt, ein Jahr später waren es 55 Selbstanzeiger. 2013 stieg die Zahl dann wieder deutlich an. 178 Selbstanzeigen bedeuteten für die Region einen neuen Rekord. Doch im vergangenen Jahr sind dann aus unterschiedlichen Gründen die Dämme gebrochen.

2014 haben sich insgesamt 937 Steuerbetrüger selbst angezeigt. Der Dezember übertraf dabei alle vorherigen Jahre. In einem Monat gingen mit 217 Selbstanzeigen mehr Fälle ein als im vorherigen Spitzenjahr 2013. In den vergangenen vier Jahren sind somit insgesamt 1404 Fälle dem Finanzamt Trier gemeldet worden.

428 Selbstanzeigen beziehen sich auf Bankkonten in der Schweiz. Die absolute Mehrheit geht auf Konten bei in Luxemburg ansässigen Banken zurück: 977 verheimlichte Konten sind den Fahndern angezeigt worden. 73 Fälle beziehen sich auf Daten aus anderen Ländern.

Insgesamt kam es so zu 40,5 Millionen Mehreinnahmen. Bei einem Rentnerehepaar wurde die höchste Summe fällig. Die Eheleute mussten über vier Millionen Euro zahlen. hwExtra: Selbstanzeigen in der Region

Eine straffreie Selbstanzeige ist an Kriterien gebunden. Ab diesem Jahr müssen Steuerbetrüger mehr zahlen als zuvor, doch generell können sie mit einer Selbstanzeige noch straffrei bleiben. Voraussetzungen dafür sind: Die gegenüber den Fahndern gemachten Angaben müssen vollständig sein, also alle bisher nicht erklärten ausländischen Zinseinkünfte offenlegen. Nach der Verschärfung müssen die Angaben zehn Jahre zurückreichen. Dabei müssen auch alle Steuerquellen angegeben werden, also etwa Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Hat das Finanzamt schon Kenntnis von einer Hinterziehung, ist eine Strafbefreiung nicht mehr möglich. hw

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