EU verdoppelt Zahl der Rettungsschiffe - Um Schleuser zu bekämpfen, wird Militäreinsatz erwogen

Luxemburg · Europa diskutiert nach der vermutlich schlimmsten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer über die richtige Migrationspolitik. Zeitgleich schrecken neue Nachrichten über Schiffe in Seenot auf. Wieder sind Hunderte Menschen an Bord.

Nach der neuerlichen Katastrophe im Mittelmeer, die möglicherweise bis zu 950 Menschenleben gekostet hat, ändert die Europäische Union ihre Flüchtlingspolitik. Bei einem Krisentreffen am Montag in Luxemburg beschlossen die EU-Außen- und Innenminister eine deutliche Ausweitung der Rettungsoperation "Triton" vor Italiens Küste. Auf die Frage, warum erst so viele Menschen sterben mussten, bis die Europäische Union handele, sagte die Außenbeauftragte Federica Mogherini: "Diese Frage stelle ich mir auch - und wir werden keine Rechtfertigung dafür finden."

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Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière wird sowohl die finanzielle Ausstattung der Mission wie auch die Zahl der eingesetzten Schiffe verdoppelt. Neun Schiffe sowie zwei Flugzeuge und ein Hubschrauber sind derzeit im Einsatz. Bislang gibt die EU 18,5 Millionen Euro im Jahr dafür - nur etwa ein Drittel dessen, was Italien für die Vorgängermission namens "Mare Nostrum" ausgegeben hatte. "Die Seenotrettung muss erheblich verbessert werden", sagte de Maizière im Gegensatz zu früheren Aussagen. Dazu gehört auch, dass das "Operationsgebiet erweitert wird", teilte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos mit.

Die verbesserte Seenotrettung ist Teil eines Zehn-Punkte-Planes der EU-Kommission, dem die Minister ihre Unterstützung erteilten. Um die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer ganz zu verhindern, soll es sogenannte Resettlement-Programme geben, über die zunächst 5000 schutzbedürftige Flüchtlinge nach Europa geholt und dort auf die EU-Staaten verteilt werden - nach Ansicht von de Maizière könnte dies "ein Pilotprojekt für eine gerechtere Verteilung in Europa sein". Ein mittelfristiges Ziel ist die bessere Zusammenarbeit mit den Transitländern. Insbesondere soll die politische Lage in Libyen stabilisiert werden, wo nach Angaben von de Maizière rund eine Million Flüchtlinge auf die Überfahrt in die EU warteten.

Beschlossen wurde auch, eine koordinierte Aktion gegen die Schleuserbanden vorzubereiten, wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Luxemburg sagte. Geplant sei "eine systematische Anstrengung, um von den Schmugglern benutzte Boote zu beschlagnahmen und zu zerstören". Bisher ist es offenbar häufig so, dass die Seenotretter unter vorgehaltener Waffe von den Schleusern gezwungen werden, die Flüchtlingsschiffe wieder herauszugeben. Nun wolle die EU sicherstellen, sagte Thomas de Maizière, "dass Boote nicht noch einmal verwendet werden - dazu braucht es allerdings robuste Kräfte". Die EU-Außenbeauftragte Mogherini bestätigte am Abend, dass es um einen möglichen Militäreinsatz mit einem Mandat der Vereinten Nationen geht: "Wir sind dazu bereits mit dem UN-System in Kontakt."
Dies dürfte eins der Hauptthemen des EU-Sondergipfels am Donnerstag werden, bei dem die Staats- und Regierungschefs über weitere Konsequenzen aus dem jüngsten Flüchtlingsdrama beraten.

Extra Klagegottesdienst

Angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit Hunderten von Toten hält der rheinische Präses Manfred Rekowski am Sonntag einen Klagegottesdienst in Wuppertal. "Wer an Christus, den Liebhaber des Lebens glaubt, kann das Sterben der Flüchtlinge nicht hinnehmen", erklärte er in Düsseldorf. Er kritisierte "politische Tatenlosigkeit" und sprach von einem "humanitären Skandal". Nach Ansicht des obersten Repräsentanten der Evangelischen Kirche im Rheinland sind die aktuellen Diskussion über eine verstärkte Bekämpfung der Schlepper angesichts der humanitären Probleme ebenso wenig zielführend wie Debatten über das Kirchenasyl. Sie lenkten vielmehr von den eigentlichen Problemen ab. KNA

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