Energie in Frankreich wird knapp - Die Angst vor einem Blackout

Paris · Die Kältewelle zeigt Frankreich die Grenzen der Atomkraft auf. Die Meiler produzieren nämlich zu wenig Strom für den riesigen Bedarf der nächsten Tage.

Wer in diesen Tagen die Wettervorhersage im französischen Fernsehen anschaut, bekommt nicht nur die eisigen Temperaturen, sondern auch Tipps zum Energiesparen präsentiert. Energieministerin Ségolène Royal hatte die Wetteransager am Montag eingeladen, um sie von dieser pädagogischen Mission zu überzeugen. Denn die Lage ist ernst: Mit der Kältewelle wird die Energie in Frankreich knapp, das drei Viertel seines Stroms aus den Atomkraftwerken bezieht. Ausgerechnet in der kalten Jahreszeit sind fünf der 58 Reaktoren vom Netz, weil sie sich wegen mangelhaften Stahls in ihren Dampferzeugern einer Überprüfung unterziehen müssen. Gleichzeitig laufen die Elektroheizungen, die rund ein Drittel aller Heizungen ausmachen, auf Hochtouren.

Mit Sorge schaut der Netzbetreiber RTE deshalb auf die nächsten Tage, denn der Stromverbrauch droht mit bis zu 95.000 Megawatt deutlich über der Produktion von 89.000 Megawatt zu liegen. Auch Importe aus Deutschland und anderen Nachbarländern können die Lücke möglicherweise nicht ganz schließen.
"Außergewöhnliche Maßnahmen" könnten deshalb schon am Mittwoch nötig sein, warnt RTE. Dazu gehören freiwillige Stromabschaltungen in Industriebetrieben ebenso wie eine geringere Spannung im ganzen Netz, die dann das Licht beim Verbraucher etwas dunkler leuchten lässt. "Derzeit sind keine Stromsperren geplant", erklärt RTE. Der Betreiber setzt ebenso wie die Energieministerin auf Pädagogik. Eine eigene App fordert in Zeiten hohen Energieverbrauchs zum Stromsparen auf: Spül- und Waschmaschinen sollen nur abends laufen und nicht mitten am Tag, wenn der Verbrauch ohnehin schon hoch ist.

"Die Waschmaschinen sind ein guter Ansatzpunkt, aber die Industrie muss ebenfalls beim Stromsparen rangenommen werden", fordert die Atomenergieexpertin von Greenpeace Deutschland, Susanne Neubronner. Außerdem brauche Frankreich ein nationales Konzept, das beispielsweise eine bessere Wärmedämmung und eine Abkehr von der Elektroheizung vorsehe.

Keine Wende in der Energiepolitik

"Die Kältewelle bringt Länder mit Stromheizung in die Bredouille", sagt die Expertin. Einen massiven Stromausfall müsse Frankreich aber deshalb nicht befürchten. Schließlich seien statt der zehn Reaktoren zum Jahresende inzwischen nur noch fünf abgeschaltet. "Aber die Regierung lernt hoffentlich durch den drohenden Blackout, dass das Verlassen auf eine einzige - noch dazu unsichere - Energiequelle langfristig zu massiven Problemen führen wird."

Frankreich hat in den vergangenen Jahrzehnten ausschließlich auf die Kernkraft gesetzt und ist nach den USA das Land mit den meisten AKW weltweit. Der Anteil der Atomkraft soll nach den Plänen von Präsident François Hollande von derzeit 75 Prozent auf 50 Prozent bis 2025 heruntergefahren werden. In seiner fast fünfjährigen Amtszeit tat der Sozialist allerdings nur wenig, um dieses Ziel zu erreichen. Denn trotz seiner Ankündigung nahm er kein einziges Atomkraftwerk vom Netz. Selbst der älteste Meiler Fessenheim an der Grenze zu Deutschland, der eigentlich 2017 abgeschaltet werden sollte, ist weiter in Betrieb. Dabei ist laut Rechnungshof die Abschaltung von mindestens 17 Reaktoren nötig, um das 50-Prozent-Ziel zu erreichen.

Gleichzeitig hat Frankreich jahrzehntelang die erneuerbaren Energien vernachlässigt: seit 1970 ist die Strommenge aus Sonne und Wind kaum gestiegen. 17,4 Prozent machte ihr Anteil 2015 lediglich aus im Gegensatz zu rund 30 Prozent in Deutschland. Ein Fehler, der sich jetzt bemerkbar macht, denn: "Die Erneuerbaren bieten die Möglichkeit, bei Engpässen flexibler zu reagieren", sagt Neubronner.

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