Entwicklungsminister Gerd Müller über Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen: „Wir brauchen ein EU-Gesamtkonzept“

Berlin · Angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer bietet Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) an, die Seenotrettungsaktion Mare Nostrum als EU-Rettungsoperation vorzufinanzieren.

Im Gespräch mit dem TV verlangt der Minister ein EU-Sofortprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro, um auch die Fluchtursachen zu bekämpfen. Mit Müller sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Minister, warum schaut Europa offenbar tatenlos dem Sterben im Mittelmeer zu?
Gerd Müller: Die Katastrophe hätte verhindert werden können. Ich sage: Die Seenotrettungsaktion Mare Nostrum zu beenden, hat viele das Leben gekostet. Wir brauchen eine sofortige Wiederaufnahme von Mare Nostrum als EU-Rettungsoperation.

Innenminister de Maizière sieht darin kein Allheilmittel. Und Kritiker sagen, die Operation würde noch mehr Flüchtlinge anlocken.
Müller: Die Alternative wäre, die Menschen weiter ertrinken zu lassen. Sollte es an den sechs Millionen Euro scheitern, biete ich eine Vorfinanzierung aus deutschen Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit an.

Müssen von Deutschland dann auch Schiffe ins Mittelmeer entsendet werden?
Müller: Ja. Es gibt ja auch schon zivile Angebote, es gibt eine deutsche Seenotrettungsgesellschaft. Darüber werden wir uns jetzt konkret unterhalten müssen.

Was erwarten Sie von der EU?
Müller: Notwendig ist, dass wir Italien, Griechenland und Malta bei der Aufnahme der Flüchtlinge stärker unterstützen. Wir brauchen ein EU-Gesamtkonzept zur Rettung, Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge. Daran müssen sich alle 28 Staaten beteiligen. Wenn es eine Gemeinschaftsaufgabe gibt, dann diese.

Das kostet Geld.
Müller: Richtig. Die EU muss ein Zehn-Milliarden-Euro-Sofortprogramm auflegen. Mit dem Geld müssen wir dann auch in den Fluchtländern konkret handeln. Und zwar mit einem Wirtschafts- und Stabilisierungsprogramm. Besondere Aufmerksamkeit ist auf Libyen zu richten. Die EU muss einen Sondergesandten entsenden zur Unterstützung der UN-Initiative vor Ort. Dabei geht es um eine diplomatische Offensive zur Befriedung des Landes; um den Aufbau von staatlichen Strukturen, um Infrastrukturhilfen, Grenzsicherung und um die Bekämpfung der Schleuserbanden.

Hilft das kurzfristig?
Müller: Wenn das, was ich genannt habe, auch konkret umgesetzt wird, werden wir im Kampf gegen die Schleuserbanden klar vorankommen. Dafür müssen wir aber vor Ort mehr Präsenz zeigen.

Was halten Sie von einem humanitären Flüchtlingsvisum, wie derzeit debattiert wird?
Müller: Ich bin zunächst für die Sofortmaßnahmen, die ich vorschlage. Das ist bereits sehr weitgehend.

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