"Es fehlt eine langfristige Vision"

Paris · Die deutschen Unternehmen in Frankreich blicken optimistischer in die Zukunft als noch vor zwei Jahren. Doch Kritik gibt es weiterhin am starren Arbeitsrecht.

Paris. Die Wirtschaftslage in Frankreich hat sich nach Ansicht der deutschen Unternehmen verbessert. Nur 58 Prozent beurteilen sie als schlecht oder sehr schlecht, wie aus einer am Montag veröffentlichten Studie der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer und der Unternehmensberatung EY hervorgeht. Vor zwei Jahren waren es noch 82 Prozent. Auch die Zukunft sieht für die deutschen Unternehmen in Frankreich rosiger aus: 30 Prozent sehen für die kommenden sechs Monate eine schlechte Entwicklung voraus gegenüber 52 Prozent 2014.
In Neueinstellungen, die Frankreich mit seiner Rekordarbeitslosigkeit dringend benötigt, schlägt sich der optimistischere Ausblick allerdings kaum nieder: 28 Prozent planen weitere Arbeitsplätze gegenüber 22 Prozent 2014. "Der Industrie fehlt eine langfristige Vision", kritisiert Patrick Mai vom Werkzeugbauer Halder. "Dieses Gefühl der Ungewissheit zusammen mit der Komplexität des Arbeitsrechts und des Bildungssystems schadet den Festanstellungen."
Dass das Arbeitsrecht die deutschen Unternehmen abschreckt, bestätigt die alle zwei Jahre veröffentlichte Studie. Es sei so unflexibel, "dass alle Firmenchefs sich Sorgen um die Fähigkeit Frankreichs machen, es zu reformieren", heißt es. Wie stark die Widerstände sind, zeigte sich erst im Frühjahr, als die Gewerkschaften wochenlang massiv gegen das neue Arbeitsgesetz der Ministerin Myriam El Khomri protestierten, das Betriebsvereinbarungen beispielsweise zur Arbeitszeit vorsieht.
"Die Straßenproteste sind eine Tradition in Frankreich", sagt der Präsident der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, Guy Maugis, im Gespräch mit unserer Zeitung. "In Deutschland gab es auch Demonstrationen gegen Hartz IV." Er warnt davor, von dem neuen El-Khomri-Gesetz, das im Sommer am Parlament vorbei verabschiedet wurde, schnelle Ergebnisse zu erwarten. "Das dauert drei bis fünf Jahre."

Die deutschen Unternehmer fordern eine weitere Vereinfachung des Arbeitsrechts und mehr Flexibilität vor allem bei der Arbeitszeit. "Die Komplexität und die ständigen Veränderungen lassen die Investoren im Ungewissen." Außerdem müsse die Steuerlast verringert werden. Auch fehle es an Nachwuchs in technischen Berufen. Über die Lehrlingsausbildung, die in Frankreich extrem unbeliebt ist, werde schon seit Jahren geredet. "Aber es kommt nichts voran", bemerkt der frühere Bosch-Chef in Frankreich, Maugis.
3000 deutsche Unternehmen


Positiv haben sich nach Ansicht der Unternehmen die milliardenschweren Steuererleichterungen ausgewirkt, die die sozialistische Regierung 2013 im sogenannten Wettbewerbspakt verkündete. "Das hat eine frische Brise gebracht", sagt der Autor der Studie, William Zanotti.
Die meisten der 170 Unternehmen, die an der Erhebung teilnahmen, sind schon lange in Frankreich - 44 Prozent sogar seit mehr als 40 Jahren. Sie schätzen die gute Infrastruktur ebenso wie die solide Ausbildung vor allem der Ingenieure und den Binnenmarkt, der durch eine starke demografische Entwicklung gesichert ist.
Insgesamt sind gut 3000 deutsche Unternehmen in Frankreich ansässig. Deutschland ist damit der zweitgrößte Investor nach den USA. Doch die Studie endet mit einer negativen Note. Denn auf die Frage, ob sie sich denn wieder in Frankreich niederlassen würden, antworteten nur 53 Prozent mit Ja. 2014 waren es noch 68 Prozent gewesen.

Extra

Die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer ist nach eigener Darstellung der freiwillige Zusammenschluss von 850 Unternehmen und Institutionen, die besonderes Interesse an der Pflege und Erweiterung der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen haben. Sie wurde am 15. Juni 1955 gegründet und ist eine vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) anerkannte deutsche Auslandshandelskammer (AHK), gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Damit ist sie Teil des weltweiten Netzes von rund 130 deutschen AHK-Büros in etwa 90 Ländern und unterstützt Mitglieder wie andere Unternehmen in deren internationalem Geschäft. red

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