Euroländer spielen Griechenlands Austritt durch

Brüssel · Erklärtes Ziel bleibt, Athen im Währungsraum zu halten. An Notfallplänen aber wird gearbeitet.

Offiziell existiert das Thema gar nicht. Auch eine gute Woche vor der entscheidenden Euro-Finanzministersitzung in Lettlands Hauptstadt Riga wird trotz stockender Vorbereitungsgespräche mit Griechenland gegenüber der Öffentlichkeit die Möglichkeit ausgeblendet, dass es keine Einigung über weitere Hilfszahlungen geben könnte. Geredet wird nur über das Wunschszenario, dass die Währungsunion zusammenbleibt.

"Nachdem er schon in der Vergangenheit so hart für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone gearbeitet hat, bleibt ein Grexit für Jean-Claude Juncker ein Tabu-Thema", heißt es in der EU-Kommission, "an einem solchen Szenario zu arbeiten, würde bedeuten sich einzugestehen, dass alles umsonst war." Dementsprechend wurde Ende März im Europaparlament auch ein Antrag der Alternative für Deutschland, über mögliche Vorkehrungen zu debattieren, niedergestimmt.

Gearbeitet wird an solchen Notfallszenarien aber sehr wohl - und das nicht nur in Großbritannien und Zypern, wo die Regierungen dies bereits bestätigt haben. "Jeder beschäftigt sich damit, aber keiner darf darüber reden", heißt es zum Beispiel im Umfeld der Europäischen Zentralbank. Auch die Bundesbank und das Bundesfinanzministerium arbeiteten an Krisenplänen, wie es in Notenbankkreisen heißt: "Das Szenario eines Grexit wurde 2012 ja schon einmal ausführlich durchgespielt, jetzt werden die alten Dokumente noch einmal durchgeschaut und überarbeitet."

In Brüssel wird jedoch klargestellt, dass es "keinen koordinierten Plan B der Eurogruppe gibt", wie ein hochrangiger Diplomat dieser Zeitung sagt: "Mit solchen Eventualitäten befasst sich jede Regierung für sich. Sonst könnten die Griechen nämlich mit dem Finger auf die Geldgeber zeigen und behaupten, dass sie aus dem Euro heraus gedrängt werden sollen." Das sei nicht der Fall, doch steige die Grexit-Wahrscheinlichkeit angesichts der mangenden Athener Kooperationsbereitschaft von Tag zu Tag. "Es sieht nicht danach aus, dass unser Wunschszenario eintritt", ist etwa aus der Bundesbank zu hören, die offenbar nicht mehr auf große Reformanstrengungen in Athen hofft. "Es wird enden mit dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone", prophezeit inzwischen gar ein hoher Brüsseler Beamter, "die Frage ist nur, wann".

Klar scheint dabei, dass das europäische Finanzsystem mit Bankenunion und Rettungsschirmen für diesen Fall inzwischen besser gerüstet wäre. "Da fallen in den anderen Ländern keine Banken um, da werden keine anderen Staaten angezählt", fasst der Notenbanker die internen Analysen zusammen: "Die Währungsunion würde ohne den negativen Ausreißer Griechenland homogener und auf eine perfide Art gestärkt werden, weil alle anderen Staaten Reformen anpacken würden, um nicht dem griechischen Beispiel zu folgen." Die negativen Folgen würden demnach vorrangig auf Griechenland selbst beschränkt sein.

Deshalb könne es auch gar keinen großen europäischen Notfallplan geben, heißt es. "Sowohl Kapitalverkehrskontrollen, um weiteren Geldabfluss zu stoppen, als auch eine vorübergehende Parallelwährung müssten vom griechischen Parlament und nicht von den Eurostaaten beschlossen werden", berichtet ein EU-Diplomat. Soviel nämlich geht ihm zufolge aus den Krisen-Planspielen hervor: "Es könnte durchaus eine längere Phase geben, in der ein zahlungsfähiges Griechenland Teil der Eurozone bleibt." In der beispielsweise Renten oder Beamtengehälter mit neu ausgegebenem Geld ausgezahlt werden, ohne dass die Euros verschwinden würden.

Die griechischen Schulden in Euro würden auch bei einem Ausstieg aus der Währungsunion, den Griechenland von sich aus verkünden müsste, weil es dafür keine Rechtsparagrafen gibt, nicht verschwinden. Die immerhin 245 Milliarden Euro, die Griechenland bei den Euroländern und dem IWF geliehen hat, müssten den Krisenplänen zufolge vielleicht aber auch nicht sofort abgeschrieben werden. Das könnte auch für das in Griechenland kursierende Bargeld im Wert von rund 100 Milliarden Euro gelten, das bei einem Grexit ebenfalls zurückfließen müsste. "Diese Forderungen könnten Teil einer langfristigen Verhandlungslösung über fünf bis zehn Jahre sein", meint ein mit den verschiedenen Szenarien vertrauter Notenbanker.

Einen Masterplan für den Fall eines Austritts gibt es diesen Planspielen zum Trotz jedoch nicht. "Sie können nur eine gewisse Scheinsicherheit vermitteln", sagt ein EU-Diplomat, "die Unwägbarkeiten sind immer noch so groß, dass wir uns weiter werden durchwurschteln müssen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort