Folterpraktiken der CIA - ein Schandfleck in der Geschichte der USA

Washington · Die Folterungen des US-Geheimdienstes im Anti-Terror-Kampf hatten weltweit Empörung ausgelöst. Nun sollen Teile eines Geheimberichts dazu veröffentlicht werden. Das reißt eine für die USA schmerzhafte Wunde wieder auf.

Washington. Dianne Feinstein klang, als hätte sie bei Abraham Lincoln nachgelesen. Die Abstimmung zeige, sagte die 80-Jährige stolz, "dass diese Nation ihre Fehler zugibt, so schmerzhaft dies auch sein mag, und sich bemüht, aus den Fehlern zu lernen". Vorausgegangen war ein Votum, das als Meilenstein in die Kongresschronik eingehen wird. Mit klarer Mehrheit, elf gegen drei, entschied der von Feinstein geleitete Geheimdienstausschuss des Senats, seinen bis dato vertraulichen Untersuchungsbericht über Folterpraktiken der CIA zumindest in Teilen öffentlich zu machen. Fast 6300 Seiten lang, nimmt der hochbrisante Report unter die Lupe, was die Anwälte George W. Bushs einst mit dem Begriff "verschärfte Verhörmethoden" vernebelten. Um nicht durch amerikanisches Recht behindert zu werden, hatte die CIA in Ländern wie Afghanistan, Litauen und Polen so genannte "black sites" eingerichtet. Geheime Gefängnisse, in denen zwischen 2002 und 2006 etwa 100 Terrorverdächtige zum Reden gebracht werden sollten - beispielsweise durch Waterboarding, also simuliertes Ertrinken.
Nach der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten schickten die Senatoren des Geheimdienstkomitees ihre Assistenten fünf Jahre lang zum Aktenlesen in einen nicht näher bezeichneten Computerbunker der CIA in Virginia. "Die Ergebnisse waren schockierend", fasst es Feinstein zusammen. "Der Bericht dokumentiert einen Schandfleck in unserer Geschichte, wie er nie wieder erlaubt werden darf."
Überraschenderweise plädierten neben sieben Demokraten und Angus King, einem Unabhängigen aus Maine, auch drei Republikaner für die Freigabe des Dossiers. Drei waren dagegen, einer enthielt sich der Stimme.
Dass die Entscheidung so deutlich ausfiel, hatten nur die wenigsten erwartet, denn noch immer halten es konservative Hardliner für ihre Pflicht, ihrem Parteifreund Bush nachträglich beizustehen.
Für manche grenzt es an Nestbeschmutzung, wenn das finstere Kapitel in all seinen unappetitlichen Details ausgeleuchtet wird. Aber auch ein Geheimdienstmann, auf den Obama, der Demokrat im Weißen Haus, große Stücke hält, könnte Federn lassen. John Brennan, seit zwölf Monaten CIA-Direktor, war Stabschef der Central Intelligence Agency, als das Quälen seinen Lauf nahm. Intern will er Einspruch eingelegt haben, nur kann sich keiner seiner damaligen Kollegen daran erinnern. Vielleicht muss auch Brennan, von Hause aus Arabien-Experte, demnächst seinen Hut nehmen.
Zunächst aber dreht sich der Streit darum, in welcher Form der Senatsbericht veröffentlicht wird, komplett, auszugsweise oder gar nur als Torso. Nach heutigem Stand soll lediglich eine 480 Seiten lange Zusammenfassung publik gemacht werden. Die CIA ihrerseits pocht darauf, allzu heikle Passagen zu schwärzen. Es kann Monate dauern, ehe das Tauziehen beendet ist oder aber der Präsident ein Machtwort spricht. Nicht weniger spannungsgeladen ist die Debatte über Nutzen oder Nutzlosigkeit des Verhörprogramms. Feinsteins Komitee gelangt offenbar zu dem Schluss, dass verschärfte Verhöre nicht zu bedeutsamen Erkenntnissen führten.Meinung

Amerikas Fehlerkorrektur
Ewig wird in Amerika keine Irrfahrt dauern. Irgendwann greifen die "checks and balances", die Kontrollmechanismen des politischen Systems. Dann korrigiert die Nation ihrer Fehler, bläst die politische Klasse zur Umkehr, auch wenn es manchmal so lange dauert, dass man an Churchills berühmten Spruch denken muss. Amerikaner, hatte der Brite sinngemäß gesagt, würden zu guter Letzt stets das Richtige tun, aber erst, nachdem sie alles andere ausprobiert haben. Die Irrfahrt, sie begann mit dem Ansatz George W. Bushs, wonach der Zweck die Mittel heiligt. Nach dem Terrorschock des 11. September 2001 schien es auf einmal opportun, verdächtige Drahtzieher Al Kaidas auf Bretter zu schnallen, ihnen Handtücher aufs Gesicht zu legen und Wasser darüber zu gießen, so dass sie glaubten, ertrinken zu müssen. Jahrelang wurde das Kapitel unter den Teppich gekehrt, und auch Barack Obama, gewählt als Anti-Bush, ließ bei der Aufarbeitung zunächst keinen Eifer erkennen. Er brauchte die Antiterrorexperten der CIA, um Osama bin Laden zu fangen. Doch nun tut das Parlament seine Pflicht. Spät zwar - zwölf Jahre nach Beginn des Folterkapitels. Aber am Ende dann doch konsequenter, als es Skeptiker für möglich gehalten hatten. nachrichten.red@volksfreund.de

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