Gastbeitrag: "Innovationen brauchen Zeit"

Trier · Als Soziologe befasst sich Professor Michael Jäckel von der Uni Trier unter anderem mit Veränderungen im Verhalten von Internet-Nutzern. Für den TV nimmt er in einem Gastbeitrag zum digitalen Personalausweis Stellung.

Im Februar/März 2010 hat der Sicherheitsverband TeleTrust Bürger ab 16 Jahren gefragt, ob sie beabsichtigen, den neuen Personalausweis bereits vor Ablauf des alten zu beantragen. 85 Prozent antworteten mit Nein. 45 Prozent kannten keine Zusatzfunktion des Ausweises. Viele Bürger haben vor dem Einführungsdatum - wohl auch aus Kostengründen - den alten Ausweis noch einmal verlängert.
Wenn man sich umhört, wird häufiger gesagt: Praktisch darin ist, dass das neue Format besser ins Portemonnaie passt. Beim Fingerabdruck ist die Bevölkerung wohl eher gespalten. Die Authentisierungsfunktion (Nachweis der Identität/Berechtigung) und die elektronische Signatur werden zudem von vielen Unternehmen und Einrichtungen noch gar nicht eingesetzt. Viele Menschen fragen sich überdies: "Was geht mich das an?" und "Lohnt der praktische Nutzen den Aufwand?" Das war allerdings vor 15 Jahren auch der Fall, als noch weniger als zehn Prozent der Bevölkerung das Internet nutzten.
Die Nutzungsmöglichkeiten, die sich als sinnvoll erweisen können, werden künftig zahlreicher als heute sein. Beispiel: Behördengänge elektronisch erledigen, elektronisch verbindlich kündigen.
Es braucht also seine Zeit, bis Innovationen eine kritische Masse erreichen und auch Unternehmen, Organisationen und Nutzer neugierig machen, die vorher nur erstaunt darüber waren, was alles möglich ist.
Professor Michel Jäckel (51) ist seit 2003 Vizepräsident der Uni Trier. Im September 2011 wird der Soziologe Nachfolger von Peter Schwenkmezger als Uni-Präsident. eib

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