Hinter einem Vorhang aus Rum und Zigarrenqualm: In Kuba stehen die Zeichen auf Entspannung

Havanna · Ende der Eiszeit: Die USA und Kuba nähern sich an. Für den karibischen Inselstaat ist das eine historische Chance. Denn im Kuba der Gegenwart mutet vieles an, als sei es aus der Zeit gefallen – politisch und gesellschaftlich.

 Straßenszene in Havanna.

Straßenszene in Havanna.

Foto: Johannes M. Fischer

Es sieht aus wie eine Oldtimer-Parade. Die Ampel schaltet auf Grün und mit dumpf brummenden Motoren setzen sich die uralten Kisten aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Bewegung. Es riecht nach Abgasen.

Dazu eine Kulisse wie im Film. Der morbide Charme einer einst wohlhabenden Stadt, bunte Häuserfronten, an deren Fassaden der Putz bröckelt. Aus den Altstadtkneipen dringen karibische Klänge auf die Straße, im Innern bewegen sich tanzende Paare zu den Rhythmen der Musiker. Ein zauberhafter Vorhang aus Rum und Zigarrenqualm versüßt den Gästen den Aufenthalt. Das ist Havanna, Kubas Hauptstadt.

Havanna ist eine Stadt mit Charakter, gelegen an der Küste einer sonnigen und grünen Insel mitten in der Karibik, erfüllt mit so viel Lebendigkeit, dass es verwundert, dass es sich ausgerechnet hier um eine der letzten Bastionen des Ein-Parteien-Kommunismus handeln könnte.
Die Zeichen in Kuba stehen seit dem Wandel in der US-Politik auf Entspannung. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den verfeindeten Ländern kommen in Gang, erste Einschränkungen im Handel werden aufgehoben. Das könnte Kubas Märkten helfen, wo nicht das Angebot, sondern der Mangel den Ton angibt. So im Tourismussektor, der heute schon fast drei Millionen Gäste anzieht. Es könnten wesentlich mehr sein, wenn die Angebote für verwöhnte Reisende aus reichen Ländern besser wären.

Ein Mann wie Ricardo würde dann profitieren. Der Mittvierziger arbeitet in der Tourismusbranche. Er kellnert in einem Restaurant. Gleichzeitig ist er unternehmerisch unterwegs - in der kubanischen Schattenwirtschaft. Weil er beim Trinkgeld nicht auf die Großzügigkeit der Touristen vertraut, bietet er seinen Gästen vor der Bezahlung eine kleine Zaubershow. Er lässt Dinge verschwinden, die an einem unerwarteten Ort wieder auftauchen, und drückt Zigaretten auf der Kleidung seiner Gäste aus, ohne dass ein Brandfleck entsteht.

Ricardo fand eine Lücke im kubanischen Sozialismus. Diese Möglichkeit hat nicht jeder. Ein Rentner ist froh, wenn er umgerechnet zehn Euro monatlich bekommt. Ein Akademiker bringt es immerhin auf 40 bis 50 Euro - und das ist schon viel. Eier, Nudeln, Bohnen und Brot gibt es immerhin auf Bezugsschein, aber wer ein Kilogramm Kartoffel extra haben will, muss zwei Euro hinblättern. In Kubas Landwirtschaft liegen mehr als zwei Drittel der Felder brach, auch weil die Maschinen fehlen, um die Felder zu bewirtschaften. Ergebnis: Obwohl es sich um ein fruchtbares Land handelt, werden 80 Prozent der Nahrungsmittel importiert.

Politisch bewegt sich in Kuba schon seit mehreren Jahren etwas. Zwar gibt es nach wie vor politische Gefangene. Aber vom stalinistischen Klima ist Kuba weit entfernt. Auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. "Da gibt es einen Unterschied zwischen den Jungen und den Alten", sagt Katharina Eimermacher, eine deutsche Studentin. Vor drei Jahren verbrachte sie ein halbes Jahr in Havanna, und im November stellte sie ihre Kenntnisse der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) zur Verfügung. Sie unterstützte die DGVN bei der Organisation einer Studienreise nach Kuba. Sie sagt über dessen Bürger: "Wer in den 70er oder 80er Jahren groß geworden ist, also in einer Zeit, als die Repressionen stärker waren, senkt seine Stimme, wenn es um Politik geht. Jüngere Leute tuscheln weniger und sprechen in der Öffentlichkeit viel offener, auch dann, wenn sie Kritik am Staat üben." Eimermacher vermutet, dass der Großteil der Kubaner für eine Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist. Eine Skepsis gegenüber den USA aber bleibe.

Die neue Politik Washingtons wird dennoch Auswirkungen auf das Innenleben der kubanischen Gesellschaft haben. Bert Hoffmann vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA) glaubt an eine fortschreitende Öffnung. Das Feindbild USA wirke in Kuba nach der gemeinsamen Ankündigung des US-Präsidenten Barack Obama und seines Amtskollegen Raúl Castro viel schwächer als zuvor. "Wenn es hier Entspannung gibt, werden die Kubaner auf der Insel womöglich auch im Inneren mehr Entspannung verlangen."

Johannes M. Fischer ist Chefredakteur der Lausitzer Rundschau , die wie der Volksfreund zur Saarbrücker Zeitungsgruppe gehört. Im Blog ( www.lr-online.de/aufderinsel./ ) hat Fischer Eindrücke seiner Reise nach Kuba und Haiti festgehalten.

Extra



Zwischen Havanna und Key West im US-Bundesstaat Florida liegen nur 160 Kilometer Meer, aber Kuba und die USA unterhalten seit 1961 keine diplomatischen Beziehungen. Kuba ist mit 110.000 Quadratkilometern die größte Insel in der Karibik. Sie hat elf Millionen Einwohner, davon zwei Millionen in der Hauptstadt Havanna. Das Tropenklima und die Strände ziehen jährlich fast drei Millionen Touristen an.

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