"Hinterher herrschte Totenstille"

Paris · Der Leiter des Pariser Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, Jens Althoff, hat den Angriff auf den Konzertsaal Bataclan von einem Haus gegenüber miterlebt, in das er kurz zuvor eingezogen war. Er spricht mit unserer Korrespondentin Christine Longin über die Terrornacht und die Folgen.

Wie haben Sie die Nacht des 13. November 2015 erlebt?Jens Althoff: Das war eine grässliche Nacht, die mir sehr an die Nieren ging. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich nicht unmittelbar betroffen war, sondern die Ereignisse nur knapp daneben miterlebt habe. Ich bin unmittelbar, bevor es im Bataclan losging, nach Hause gekommen. Von den Schießereien drinnen habe ich wegen der akustischen Dämmung des Konzertsaals nichts gehört, aber von den Detonationen, als die erste Etage, wo die Terroristen Geiseln genommen hatten, gestürmt wurde. Hinterher herrschte Totenstille.Haben Sie Angst?Althoff: Nein, ich habe keine Angst, denn das, was hier passiert ist, kann mittlerweile überall in Europa passieren. Ich zeige aber eine erhöhte Aufmerksamkeit und merke, dass es anderen in Paris genauso geht. Sobald etwas Ungewöhnliches geschieht oder sich jemand merkwürdig verhält, wird das wahrgenommen.Wie hat sich Frankreich seit den Anschlägen verändert?Althoff: Der 13. November war ein wirklicher Einschnitt für Frankreich, viel stärker als die Anschläge auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt. Die Diskussionen über das Selbstverständnis der Republik wurden dadurch sehr heftig. Frankreich hat sich davon noch nicht erholt und steckt in einer tiefen Identitätskrise. Beeindruckend sind die lebendige öffentliche Debatte und das zivilgesellschaftliche Engagement vieler Menschen hier, die sich davon nicht unterkriegen lassen wollen. Extra

Am 19. März hat Salah Abdeslam zuletzt mit der Justiz gesprochen. Es war der Tag nach seiner spektakulären Festnahme im Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Der 27-Jährige verriet Einzelheiten des schwersten Anschlags, der Frankreich je erschüttert hat. Der Franzose mit dem schmalen Gesicht ist der einzige überlebende Attentäter des 13. November 2015. Denn der Islamist floh mit dem Auto nach Belgien, statt sich selbst vor dem Stade de France in die Luft zu sprengen. "Salah Abdeslam ist eine Schlüsselfigur der Anschläge", sagte der Pariser Staatsanwalt François Molins, nachdem der Attentäter im Frühjahr gefasst wurde. Sechs Wochen später wurde der wichtigste Häftling Frankreichs mit dem Hubschrauber nach Paris überstellt. Seither sitzt er in Isolierhaft in Fleury-Mérogis bei Paris, wird per Video überwacht und schweigt. So hartnäckig, dass seine Anwälte die Verteidigung abgaben. Dabei hätte er viel zu erzählen. War er doch der "Chauffeur" seiner Gesinnungsgenossen. Zudem kaufte er Fernzünder und Sprengstoff und mietete die Autos, mit denen die Attentäter zum Stade de France und zum Konzertsaal Bataclan fuhren. long

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