"Ich bin nervlich fix und fertig"

Trier · Eine 71-Jährige ist die Hauptbelastungszeugin im Mord-ohne-Leiche-Prozess. Heute bereut die Frau, dass sie sich überhaupt bei der Polizei gemeldet hat. Der Grund: "Ich bin nervlich fix und fertig."

Hätte Gerda Schmitt (Name von der Redaktion geändert) am 19. September vergangenen Jahres nicht zum Telefonhörer gegriffen und nach dem "Aktenzeichen"-Beitrag über den vermissten Rentner Walter Klein die eingeblendete Rufnummer gewählt, hätte es einen Prozess gegen Hans S. womöglich nie gegeben. Die Ermittler hatten den 55-Jährigen zwar schon seit langem im Visier, aber nachweisen konnten sie dem Wohnungsnachbarn Kleins nichts. Erst der Anruf der Fernsehzuschauerin Gerda Schmitt brachte aus Sicht der Ermittler den erhofften Durchbruch in dem mysteriösen Fall.

Was Gerda Schmitt im Anschluss an die Sendung dem Leiter der Sonderkommission schilderte, führte einige Monate später zur Verhaftung jenes Mannes, der 1988 schon einmal auf Walter Klein geschossen hatte. Der Eifeler wurde damals schwer verletzt, der Schütze später wegen versuchten Totschlags zu einer mehr als dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Hans S. türmte wenig später und kehrte mit seiner Ehefrau erst in die Eifel zurück, als die Strafe verjährt war. Sie zogen wieder in das Haus, in dem das ehemalige Opfer Walter Klein noch wohnte; und eben Gerda Schmitt mit ihrem Lebensgefährten. Die beiden waren vom Prümer Amtsgericht als sogenannte Abwesenheitspfleger eingesetzt worden, sollten sich um das Anwesen in Oberlascheid (Eifelkreis Bitburg-Prüm) kümmern, während Eigentümer Hans S. und seine Frau untergetaucht waren.

Plötzlich waren sie wieder da. "Ein halbes Jahr lang hatten wir ein wirklich gutes Verhältnis", erinnert sich gestern Gerda Schmitt im Prozess gegen Hans S., "eben bis zu diesem Vorfall." Der Vorfall, von dem die 71-Jährige spricht: Im Sommer 2001 soll Hans S. ihrem inzwischen verstorbenen Lebensgefährten 10 000 Mark angeboten haben, wenn er Walter Klein umbringt.

"Mein Partner war völlig außer sich", sagt Gerda Schmitt, "Hans S. hat nur gegrinst. Am nächsten Tag hat er mich dann noch einmal gefragt, ob wir auf das Angebot eingehen. Als ich Nein gesagt habe, gingen die Schikanen und der Psychoterror los."

Gerda Schmitt und ihr Lebensgefährte beschlossen schließlich wegzuziehen. Der Polizei hätten sie von dem Mordauftrag nichts gesagt, "aber Walter Klein, sein Anwalt und die Mutter des Angeklagten wussten Bescheid", sagt Gerda Schmitt. Sieben Jahre lang hat die Frau nach eigenen Angaben nichts mehr von Walter Klein oder Hans S. gehört, bis eine Freundin sie im vergangenen Jahr auf die bevorstehende "Aktenzeichen"-Sendung hinwies. Gerda Schmitt schaute sich den Beitrag an und griff anschließend zum Telefon.

Ein Schritt, den sie heute bitter bereut, wie sie gestern sagt: "Alles kommt jetzt wieder hoch. Ich habe Angst, fühle mich bedroht, bin nervlich am Ende."

Wo die 71-Jährige heute lebt, sagt die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz nicht, aber der Angeklagte raunzt der Hauptbelastungszeugin zwischendurch zu: "Ich weiß, wo Sie wohnen." Ansonsten sagt der Angeklagte das, was er auch schon an den beiden vorausgegangenen Prozesstagen gesagt hat, als andere Zeugen gegen ihn aussagten: "Die ganze Geschichte ist zu 100 Prozent erfunden, die Staatsanwaltschaft und die Kripo haben sie sich ausgedacht."

Der Prozess wird am 7. Januar fortgesetzt.

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