Im nächsten Sommer kehrt der Wolf zurück

Trier · Die Wolfspopulation wächst in Deutschland schneller als gedacht. Zu schnell, sagen Kritiker, denen auch missfällt, dass die Wölfe offenbar wenig Scheu vor den Menschen haben. Aber sind das Anlässe, den besonderen Schutzstatus der Tiere zu lockern, wie jetzt gefordert wird?

Trier. Jetzt also auch Baden-Württemberg: Die Experten im Musterländle sind sich fast sicher, dass es sich bei dem vergangene Woche in Südbaden an der Autobahn A 5 entdeckten toten Tier um einen Wolf handelt. Das Tier wurde überfahren. "Das Land ist vorbereitet, jetzt greift der Handlungsleitfaden Wolf", teilte am Donnerstag der Minister für den ländlichen Raum, Alexander Bonde (Grüne), ein wenig zu martialisch mit. Inzwischen gibt es kaum noch ein Bundesland, in dem nicht in den vergangenen Jahren Wölfe aufgetaucht wären, nachdem sie in Deutschland mehr als ein Jahrhundert lang als ausgerottet galten. In den meisten Bundesländern gibt es inzwischen - wie in Baden Württemberg - Leitfäden oder Wolfsmanagementpläne, in denen haarklein festgelegt ist, was zu tun ist, wenn …
Auch Rheinland-Pfalz ist seit einigen Monaten für den Tag X gewappnet, auch wenn im Februar 2012 im Westerwald bereits ein Tier aufgetaucht ist. Es überlebte nicht lange. Nach zwei Monaten wurde der Wolf von einem Jäger erschossen. Versehentlich, wie es hieß. Der Jäger habe den Wolf für einen streunenden Hund gehalten, der es auf Rehe abgesehen habe.
Spräche man Michael Horper auf diesen Fall an, würde dem neuen Präsidenten des Bauernverbands Rheinland-Nassau wohl die Hutschnur platzen. Schon allein deshalb, weil bei Wölfen und Hunden nach Meinung Horpers mit zweierlei Maß gemessen wird. "Wenn ein Hund im Wald frei herumläuft, wird direkt Panik gemacht und mit Erschießen gedroht", schimpft der Bauern- und Winzerpräsident, "und dem Wolf würden einige am liebsten noch den roten Teppich ausrollen."Billen fordert Abschüsse


Dabei ist in einigen Bundesländern nach der anfänglichen Euphorie über die Rückkehr der Wölfe inzwischen Ernüchterung eingetreten. Zum Beispiel in Niedersachsen, wo nach Zählungen der Jäger um die 50 Tiere unterwegs sind. Das scheue Wildtier breite sich weiter aus, heißt es auf einer Internetseite, die die Vorkommen, aber auch die Nutztierrisse der Wölfe penibel genau auflistet. Dabei kann bei einigen Wölfen von einem scheuen Wildtier längst keine Rede mehr sein. Die Meldungen mehren sich, in denen etwa Spaziergänger oder Läufer von Begegnungen mit einem oder mehreren Tieren berichten, die offenbar jegliche Scheu gegenüber dem Menschen verloren haben. "Kein Wunder, die Wölfe wissen doch, dass die Menschen ihnen nichts tun", meint der Eifeler CDU-Landtagsabgeordnete Michael Billen. Der passionierte Jäger fordert deshalb vereinzelte Abschüsse, um den Wölfen ihr altes Feindbild zurückzugeben. Dann hielten die Tiere künftig auch wieder Abstand zu den Menschen.
Bei der zuständigen rheinland-pfälzischen Ministerin stößt der Billen-Vorschlag auf wenig Gegenliebe. Der Wolf sei eine streng geschützte Art, die nicht bejagt werden dürfe, sagt Höfken-Sprecherin Stefanie Lotz. 1992 seien die Wölfe sogar EU-weit unter einen besonderen Schutz gestellt worden.
Doch längst werden die Forderungen lauter, dass dieser Schutz gelockert werden müsse. "Hoffentlich muss nicht erst ein Mensch angefallen werden, ehe sich etwas bewegt", meint Bauernpräsident Michael Horper. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Geschäftsführer des Landesverbands der Schaf- und Ziegenhalter, Rainer Wulff: "Der Gesetzgeber muss sich schon überlegen, was er tut, wenn erstmals ein Mensch angefallen wird."
Im Mainzer Forstministerium glaubt man, für eine mögliche Rückkehr der Tiere mit dem Wolfsmanagementplan gut aufgestellt zu sein. Für eine Überarbeitung, wie etwa vom Bauernverband gefordert, gebe es derzeit keinen Anlass, sagt die Sprecherin.
Die Jäger gehen davon aus, dass es bis zum Auftauchen der nächsten Wölfe in Rheinland-Pfalz nicht mehr lange dauern wird. "Ich halte den Frühsommer nächsten Jahres für wahrscheinlich", sagt Jägerpräsident Kurt A. Michael. Nach seinen Angaben gab es im Raum Trierweiler bereits vor kurzer Zeit einen Fehlalarm, nachdem zwei Kälber gerissen worden waren. Nachdem eine am Tatort gefundene DNA-Probe analysiert war, stellte sich heraus, dass nicht ein Wolf die Kälber getötet hatte, sondern ein Hund.Meinung

Willkommen zurück, Wolf!
Der Mensch hatte den Wolf in Deutschland komplett ausgerottet. Nun besteht die Wahrscheinlichkeit, dass nach rund 130 Jahren mal wieder eins dieser ebenso scheuen wie gefährdeten Tiere eine Pfote ins Land setzt, und schon bricht eine völlig unangemessene Angstdebatte aus. Das ist irrational! Es ist doch genau umgekehrt: Viel, viel größer als die Gefahr, die ein Wolf für den Menschen darstellt - angegriffen wurde seit seiner Rückkehr noch niemand - ist doch die Gefahr, die vom Menschen für den Wolf ausgeht. Wetten: Bevor das erste Tier in der Region ankommt, sind ein Dutzend seiner Artgenossen überfahren oder abgeschossen worden. Viel Glück, Wolf! k.hammermann@volksfreund.de Bauernpräsident Horper hat recht: Der seit Jahren andauernde Hype um die Rückkehr der Wölfe ist völlig überzogen. Umso schlimmer, dass die Tiere dazu noch unter besonderen Schutz gestellt worden sind, als sei die Spezies vom Aussterben bedroht. Jetzt ist alle Welt verwundert, dass sich die Wölfe rascher als gedacht verbreiten, dabei gerne Schafe und Ziegen reißen und dazu noch jegliche Scheu vor den Menschen verloren haben. Was ist eigentlich, wenn der erste Wolf versehentlich einen Wanderer attackiert? Spätestens dann wird der Hype in Hass umschlagen. Daher ist es besser, wenn die Wölfe bleiben, wo sie sind. Dann muss sie auch niemand mehr vertreiben. r.seydewitz@volksfreund.de

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