Integration durch Arbeit: Rheinland-Pfalz sieht durch Studie eigene Flüchtlingspolitik bestätigt – Trierer Kammerchef gibt Impulse für Einwanderungsdebatte

Trier · Seit Ende 2014 dürfen Asylbewerber in Deutschland schon nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen. Trotzdem hat sich an ihrer Lage kaum etwas verbessert. Das Land und die regionale Wirtschaft wollen das ändern.

Die Akten stapeln sich im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Verzögerte Anerkennungsverfahren behindern die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Foto: dpa

Die Akten stapeln sich im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Verzögerte Anerkennungsverfahren behindern die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Foto: dpa

Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine wichtige humanitäre Aufgabe", sagt Jörg Dräger. Er ist im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Diese wollte herausfinden, wie es um die Integration der Flüchtlinge in Deutschland bestellt ist. Ergebnis: schlecht. Denn die Asylbewerber dürfen so lange nicht arbeiten, bis sie anerkannt sind. Und das kann Monate dauern. Das wiederum führt zu Ressentiments der Bürger.

Zwar ist laut Studie eine große Mehrheit der Deutschen für eine schnellere Aufnahme von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt. 84 Prozent der Bundesbürger sprechen sich dafür aus. Allerdings sind 40 Prozent der Befragten der Meinung, dass Deutschland bereits jetzt an seine Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen stoße. "Je erfolgreicher und schneller die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt, desto eher können Bedenken entkräftet werden", sagt Dräger.

Die Studie empfiehlt der Politik ein ganzes Maßnahmenbündel, um die Integration zu beschleunigen. Vorrangig sei es, den Bearbeitungsstau bei den Asylverfahren aufzuheben, der in keinem anderen EU-Land derart lang sei. Bis Ende Februar 2015 sei die Zahl der offenen Anträge auf 243.820 angewachsen. Dräger begrüßt zwar die Ankündigung, dass das zuständige Bundesamt 2000 zusätzliche Stellen bekommt. Die Qualität der Entscheidungen müsse aber gleichzeitig verbessert werden. 13 Prozent der Asylbescheide würden von den Gerichten korrigiert.

Berufsqualifikation wird erfasst

Bereits während der Wartezeit sollten die Asylbewerber Deutsch lernen können, laut Studie ist das aber bislang nur in fünf Bundesländern möglich: in Rheinland-Pfalz, Bayern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Zusätzlich sollten Ausbildungsstand, Arbeitserfahrung und Berufsperspektiven erfasst und an die Bundesanstalt für Arbeit weitergereicht werden. So könne, so die Studie, spätestens nach drei Monaten die aktive Arbeitsvermittlung starten.

Rheinland-Pfalz sieht sich damit mit seiner Flüchtlingspolitik bestätigt. Neben dem Vermitteln der Sprache in den ersten drei Monaten nach Ankunft in den Erstaufnahmeeinrichtungen werde man in einem Pilotprojekt in der Einrichtung in Trier die beruflichen Qualifikationen der dort ankommenden Asylbewerber erfassen, kündigt Landesarbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) an. "Viele Asylsuchende verfügen über eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss. Diese Kompetenzen können wir nicht ungenutzt lassen." Diese Ansicht vertritt auch Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Trierer Industrie- und Handelskammer (IHK). Doch bislang stimmten die Rahmenbedingungen für die Einstellung von Flüchtlingen nicht. Bereits Anfang des Jahres hat er daher Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sein Konzept 3 plus 2 vorgestellt. Dahinter steckt die Forderung, dass ausbildungswillige Flüchtlinge auch ohne Abschluss des Asylverfahrens einen Ausbildungsplatz bekommen und ihnen und den Arbeitgebern garantiert wird, dass sie die drei Jahre der Ausbildung und mindestens zwei Jahre danach in Deutschland bleiben dürfen.

Dieser Vorschlag hat es im Februar in einen, von Rheinland-Pfalz eingebrachten, Bundesratsantrag geschafft, in dem es um verbesserte Einwanderungspolitik geht. Darin wird auch vorgeschlagen, dass die Bundesagentur für Arbeit gezielt für sogenannte Mangelberufe, etwa im Gesundheitswesen, im Ausland nach qualifizierten Einwanderern suchen soll. Dreyer sieht Rheinland-Pfalz auf einem guten Weg, man praktiziere hier bereits die in der Studie angemahnte "integrative Flüchtlingspolitik".

Nicht überraschend, dass die Opposition das anders sieht. "Dass Flüchtlinge, die dauerhaft bei uns bleiben werden, schneller und effektiver integriert werden müssen, ist allen klar", sagt der integrationspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Adolf Kessel, unserer Zeitung. Bereits im Januar habe seine Fraktion ein Konzept vorgelegt, in dem eine Erfassung der beruflichen Qualifikationen bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung, eine bedarfsdeckende Sprachförderung und ein koordiniertes Arbeitsmarktintegrationskonzept gefordert worden seien. "Die Landesregierung ist hier hinterhergehinkt und musste zur Jagd getragen werden", sagt Kessel.

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