Juncker sagt im September zur LuxLeaks-Affäre aus

Brüssel · Der Sonderausschuss des Europaparlaments zur LuxLeaks-Affäre zieht eine ernüchternde Bilanz. Bisher einziger Erfolg monatelanger Recherchen: Im September will Kommissionschef Juncker Rede und Antwort stehen.

Brüssel. Nach langem Zögern will sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun doch zur LuxLeaks-Affäre äußern. Am 17. September werde er dem sogenannten TAXE-Sonderausschuss des Europaparlaments Rede und Antwort stehen, kündigte die Brüsseler Behörde an.
Die Anhörung könnte turbulent werden, denn die Abgeordneten haben in monatelanger Kleinarbeit viele Schlupflöcher und Versäumnisse bei der Besteuerung großer Konzerne in der gesamten EU offengelegt. Dies geht aus dem Entwurf des Abschlussberichts des TAXE-Ausschusses hervor, über den das Parlament im Oktober abstimmen will.
EU-Staaten als Rechtsbrecher?


In dem 46-seitigen Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, werden die 28 EU-Staaten unverblümt des Rechtsbruchs beschuldigt. Durch die "Bevorzugung bestimmter Unternehmen" hätten die nationalen Steuerbehörden "eine Wettbewerbsverzerrung auf dem Binnenmarkt bewirkt", heißt es gleich zu Beginn der Schlussfolgerungen.
Zudem hätten die Mitgliedstaaten mehrere EU-Verordnungen zum Austausch von Steuerdaten missachtet und den "Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit" mit Füßen getreten. Die Abgeordneten verweisen vor allem auf ein EU-Gesetz, das schon in den 1990er Jahren die Meldung von sogenannten Vorabbescheiden ("tax rulings") vorsah.
Bei der LuxLeaks-Affäre waren Dutzende "tax rulings" in Luxemburg ans Tageslicht gekommen. Zu einem großen Teil waren sie in Junckers Amtszeit als Premierminister des Großherzogtums erlassen worden. Von den Steuervereinbarungen profitierten nach Medienberichten unter anderem Google, Apple, Amazon, FedEx, IKEA und die Deutsche Bank sowie EON und Fresenius Medical Care.
Ähnliche Sonderregeln gab es aber auch in vielen anderen EU-Ländern, fanden die Europaabgeordneten heraus. Welche Länder an der "Steueroptimierung" beteiligt sind und welche Konzerne profitieren, konnten sie jedoch nicht ermitteln, weil ihre Arbeit massiv behindert wurde. "Bislang ist kein einziger EU-Finanzminister im Ausschuss erschienen", klagt der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer.
Dokumente nicht geliefert


Zudem hätten die Mitgliedstaaten bis heute zahlreiche angeforderte Dokumente nicht geliefert. Deutschland antwortete mit sechswöchiger Verspätung, Österreich und Italien hatten bis zum Beginn der Sommerpause am 15. Juli noch gar nicht geantwortet. "Es erschreckend, dass bei den meisten Verantwortlichen kaum Unrechtsbewusstsein besteht", empört sich der SPD-Abgeordnete Peter Simon.
Noch schwerere Geschütze fährt der Linkspolitiker Fabio De Masi auf: "Die Architekten der Steueroasen Luxemburg und Niederlande - Jean-Claude Juncker und Jeroen Dijsselbloem - sitzen fest im Sattel als Chefs der EU-Kommission und der EuroGruppe."
Die Falschen vor Gericht?


Die Aufdecker von LuxLeaks - Whistleblower und Journalisten - stünden hingegen vor Gericht. Dies sei inakzeptabel, sind sich die Europaabgeordneten im TAXE-Ausschuss einig.
Die Lage sei "nicht länger tragbar", heißt es in ihrem gemeinsamen Berichtsentwurf, der nur noch unwesentlich geändert werden dürfte. Die Staats- und Regierungschefs der EU müssten unverzüglich Abhilfe schaffen. Denn die systematische Steuervermeidung habe massive "Auswirkungen auf die nationalen Haushalte, die ohnehin den Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung unterworfen sind". Zudem würden einfache Steuerzahler sowie kleine und mittlere Unternehmen benachteiligt.
Zu all dem soll Juncker bei seiner Anhörung im September Stellung nehmen. Der Ausschuss möchte vor allem erreichen, dass die EU-Kommission den Mitgliedstaaten stärker beim automatischen Informationsaustausch auf die Finger schaut - und endlich eine gemeinsame Basis für die Körperschaftssteuer vorschlägt. Das fordert das EU-Parlament nämlich schon seit Jahren.
Den Rücktritt von Juncker oder andere politische Konsequenzen fordert es hingegen nicht. Schließlich ist Juncker der erste Kommissionschef, der vom Europaparlament bestimmt wurde. Das verbindet.Extra

Von "LuxLeaks" ist die Rede, seit im vergangenen Jahr bekannt geworden war, dass Luxemburg Konzerne mit verbindlichen Steuerzusagen ins Land gelockt und ihnen Steuern erspart hatte - was auf Kosten der Steuereinnahmen anderer EU-Länder ging. Die "LuxLeaks"-Affäre hatte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Druck gesetzt, weil der Christdemokrat dort 18 Jahre lang Regierungschef war. Als Präsident der EU-Kommission hat Juncker inzwischen Steuersparmodellen den Kampf angesagt. Weitere Initiativen gegen Steuerhinterziehung sind bereits in Arbeit. Das EU-Parlament hat bereits im Februar dieses Jahres einen Sonderausschuss zu dem Thema eingerichtet, um die Gesetze der EU-Mitgliedstaaten auf mögliche Ungerechtigkeiten zu prüfen. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort