Kinder als Zielscheibe von Krieg und Gewalt

Berlin · Weltweit gibt es immer mehr Konflikte. Dadurch erleben immer mehr Kinder Kriege und werden so zu Opfern von Misshandlungen und Gewalt. Unicef hat einen erschreckenden Bericht vorgelegt.

Berlin. Jedes zehnte Kind wächst nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef in Kriegs- und Krisengebieten auf. "Wir erleben weltweit eine der schlimmsten Phasen von Konflikten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges", sagte Ted Chaiban, Direktor der internationalen Unicef-Programme, gestern bei der Vorstellung des aktuellen Reports seiner Organisation in Berlin. Nachfolgend die wichtigsten Daten und Hintergründe der Untersuchung.

Warum ist die Situation so dramatisch?
Kriege und Konflikte haben dafür gesorgt, dass mittlerweile fast 60 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Mehr als die Hälfte dieser Flüchtlinge sind Frauen und Kinder - ein Rekordstand seit dem Zweiten Weltkrieg. Hinzu kommt, dass auch die Fälle schwerer Gewalt gegen Mädchen und Jungen im Krieg drastisch zugenommen haben.

Wie viele Kinder sind betroffen?
Laut Unicef wuchsen im vergangenen Jahr 230 Millionen Kinder in einem Klima von Krieg und Misshandlungen auf. "Es besteht die Gefahr, dass ganze Generationen von Kindern Gewalt und Instabilität als normalen Teil ihres Lebens ansehen", warnte Unicef-Programmdirektor Chaiban.

Wo ist die Lage besonders dramatisch?
Der UN-Sicherheitsrat hat 23 Konflikte aufgelistet, in denen Kinder schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Von den 59 beteiligten Konfliktparteien sind acht Regierungstruppen und 51 nichtstaatliche Kräfte. Besonders dramatisch ist die Gewalt gegen Kinder in Syrien, im Irak, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. In etwa der Hälfte der bewaffneten Konflikte bricht laut Unicef innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Ende erneut Gewalt aus.

Welche Rolle spielt der islamistische Terror?
Islamistische Terrorgruppen wie der IS oder Boko Haram nehmen Kinder ins Visier, um sie als Kindersoldaten, Selbstmord attentäter und Sexsklaven zu missbrauchen. So entführte Boko Haram in Nigeria 230 vorwiegend christliche Schulmädchen und verbreitete die Nachricht, sie unter ihren Mitgliedern versteigert zu haben. "Dazu kommt der erklärte Sinn und Zweck der Bewegung, Kinder vom Besuch von Schulen mit westlich geprägtem Lehrplan abzuhalten", heißt es im Unicef-Report.

Gibt es auch Lichtblicke?
Ja. Mit Hilfe von Unicef wird derzeit die Demobilisierung der "Cobra"-Miliz in Südsudan vorangetrieben. Von den etwa 3000 dort rekrutierten Kindern wurden zu Jahresbeginn 280 freigelassen. Sie sind zwischen elf und 17 Jahre alt, hatten zum Teil mehrere Jahre für die Miliz kämpfen müssen und nie eine Schule besucht. Schätzungen zufolge werden allein in Südsudan rund 12 000 Kinder als Soldaten eingesetzt. Insgesamt leistete Unicef 2014 in 98 Ländern Nothilfe. Rund 2,5 Millionen Kinder erhielten dabei auch psychosoziale Unterstützung.

Wie wird Unicef unterstützt?
Nur unzureichend. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) beklagte gestern, dass Unicef aus Geldmangel die Essensrationen kürzen musste. Chaiban machte auch eine mangelnde Spendenbereitschaft geltend. Bei Naturkatastrophen sei sie stärker ausgeprägt als für Kinder, meinte er. Deutschland ist einer der wichtigsten Unicef-Partner. Seit 2013 wurden von Berlin 210 Millionen Euro bereitgestellt. Laut Unicef werden 2,7 Milliarden Euro benötigt, um den Kindern wirkungsvoll zu helfen.

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