Klare Ansagen aus Berlin: Bundesregierung warnt Erdogan

Berlin · Deutschlands Regierung sorgt sich um die Türkei. Am Montag hat sie deutliche Forderungen Richtung Ankara formuliert.

Berlin. Eilig hat es Angela Merkel, die in Krisenzeiten oft zur Telefondiplomatie greift, diesmal nicht gehabt: Erst am Montagnachmittag telefonierte die Kanzlerin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, um mit ihm die Lage nach dem vereitelten Putschversuch am Wochenende zu erörtern. Merkel forderte demnach, rechtsstaatliche Prinzipien einzuhalten. Die Einführung der Todesstrafe widerspreche den Prinzipien der EU.
Zu besprechen gibt es in der Tat einiges zwischen Berlin und Ankara. Wie wird es weitergehen mit dem EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen, was ist mit den Gerüchten, die sich um den Putsch ranken, und plant Erdogan tatsächlich die Wiedereinführung der Todesstrafe? Die Kanzlerin wollte vor einem Kontakt mit Erdogan erst die Lage genau sondieren. Wobei die Erwartungen Berlins an Ankara vor dem Telefonat schon deutlich gemacht wurden: "Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein. Und die Einführung der Todesstrafe in der Türkei würde folglich das Ende der Beitrittsverhandlungen bedeuten", betonte Merkels Sprecher Steffen Seibert bereits am Mittag. Klarer kann eine Ansage nicht sein. Die Todesstrafe wurde in der Türkei seit 1984 nicht mehr vollstreckt. Seit 2004 ist sie abgeschafft.
Bedenken werfe auch auf, so Seibert weiter, dass schon einen Tag nach dem Putschversuch 2500 Richter ihrer Posten enthoben worden seien. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte diesbezüglich: "Wenn jeder fünfte Richter und Staatsanwalt seines Amtes enthoben wird, dann zeigt das ganz offensichtlich: Die Listen hatte man vorher, die werden jetzt umgesetzt."
Zu Verschwörungstheorien, wonach der türkische Präsident womöglich Strippenzieher des Aufstands gewesen sein könnte, wollte sich Seibert nicht äußern. Gleichwohl hieß es aus dem Auswärtigen Amt, Ankara müsse größtmögliche Transparenz bei der Aufarbeitung der Ereignisse an den Tag legen, um solche Gerüchte "nicht entstehen zu lassen".
Weitere heikle Themen rücken nun womöglich zurück in den Fokus: Stichwort EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen. Die Bundesregierung zeigte sich optimistisch, dass sich an dem Abkommen nichts ändere. Es müsse getrennt von den Ereignissen vom Wochenende gesehen werden, erklärte Seibert.
"Es gibt keine Abschlag für die Türkei", betonte Merkels Sprecher. Vor allem nicht beim Thema Rechtsstaatlichkeit. "Da sind die Erwartungen ganz klar." Freilich auch die des bayerischen Ministerpräsidenten Host Seehofer. Er erklärte, die CSU sei weiterhin gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU und gegen die Einführung der Visafreiheit. Denn dann würden "die Probleme der Türkei nach Deutschland importiert". Nach dem Putschversuch seien die Bedenken seiner Partei noch größer geworden: "Mehr Erdogan, weniger Rechtsstaat - das ist meine Befürchtung", so Seehofer. Der koalitionsinterne Konflikt in der Visafrage ist damit wieder auf die Tagesordnung gerutscht.

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