Leere Kassen zwingen zur Kooperation

Im Moment habe ich den Eindruck, dass sich die regionalpolitische grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert und weiterentwickelt. Die immer wieder thematisierten Schwierigkeiten der Zusammenarbeit bleiben aber bestehen und fraglich ist, ob diese gänzlich ausgeräumt werden können oder ob es eher darum gehen sollte, mit ihnen konstruktiv umzugehen.

Dazu zählt die Heterogenität der Kooperationspartner, zu denen neben einem souveränen Nationalstaat, Regionen und Sprachgemeinschaften gehören, die wiederum in föderal oder zentralistisch organisierte Länder eingebunden sind. Die Partner sind also mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen ausgestattet, was die Zusammenarbeit nicht vereinfacht.

Daneben sind mit unterschiedlichen Partnern zum Teil auch unterschiedliche Interessenslagen verbunden. Die Kooperation wird zum Beispiel auf die Probe gestellt, wenn es - wie aktuell - darum geht, einen Konsens für gemeinsame Förderschwerpunkte im Rahmen europäischer Förderprogramme zu erzielen. Oder wenn - wie beim Energiegipfel - die Energiewende als gemeinsames Projekt der Kooperationspartner verabschiedet wird, aber die Positionen zur Atomenergie zum Teil noch sehr voneinander abweichen.

Außerdem wird immer wieder die mangelnde Verbindlichkeit der Kooperation thematisiert. Die Zusammenarbeit beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und des politischen Willens. Die einschlägigen Gremien können Empfehlungen, Stellungsnahmen oder Vorschläge vorlegen; für die Umsetzung der vom Gipfel der Großregion verabschiedeten Resolutionen oder Beschlüsse fehlt aber eine institutionelle Handhabe. Erwähnt werden muss aber auch, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei den beteiligten Partnern einen hohen politischen und strategischen Stellenwert besitzt und das Gipfelsekretariat, das in Kürze seine Arbeit aufnimmt, die regionalpolitische Kooperation stärken und zukünftig eine zentrale Rolle spielen soll für die nachhaltige Umsetzung der Gipfelbeschlüsse.

Die regionalpolitische grenzüberschreitende Zusammenarbeit geht auf die 1970er Jahre zurück, als die Regionen krisenbedingt näher zusammenrückten. Zwar befindet sich die Großregion heute nicht in einer solchen Krisensituation wie vor 40 oder 50 Jahren. Aber Parallelen drängen sich auf, wenn nun auch in Luxemburg das Sozial- und Steuersystem umgebaut werden soll oder der Deutsche Wissenschaftsrat in Köln empfiehlt, die Großregion als eine Perspektive der universitären Weiterentwicklung in Betracht zu ziehen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die leeren Staatskassen - nicht nur im Bildungsbereich - die Regionen (noch) näher zusammenrücken lassen oder ob sich Konkurrenz untereinander breit(er) macht.

Christian Wille, Sozial- und Kulturwissenschaftler, Uni Luxemburg

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