Lieferadresse erweist sich als Flüchtlingslager - Online-Händler bleibt auf 180 000 Euro sitzen

Lebach · Ein Jahr lang hat der Online-Händler Zalando fast 1000 Pakete an eine Adresse im saarländischen Lebach geliefert, ohne dass je eine Rechnung bezahlt wurde. Erst dann fiel der Firma auf, dass sich hinter der Anschrift ein Flüchtlingslager verbirgt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken.

Der Online-Modehändler Zalando wirbt mit seinem einfachen Bestellverfahren und der schnellen Lieferung. Jetzt ist das Unternehmen anscheinend zum Opfer mangelhafter interner Kontrollen geworden. Von Juni 2014 bis Juni 2015 hat die Firma 962 Bestellungen in den Raum Lebach auf Rechnung ausgeliefert. Diese Rechnungen sind nach Zalando-Angaben bis Mitte Juli nicht beglichen worden. Der Gesamtwert der Bestellungen lag bei 181.188,75 Euro.

Das Unternehmen habe deshalb Strafanzeige wegen Betrugsverdacht gestellt, sagt Christoph Rebmann, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Bei den Ermittlungen des Kriminaldienstes Lebach wurden die Bestelldaten ausgewertet. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Waren (Kleidung, Schuhe und Koffer) fast ausschließlich in die Landeswohnsiedlung Lebach geschickt worden. Dort befindet sich die saarländische Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge.

Die Ermittler konnten 365 Bestellungen Beschuldigten mit aktuellem Wohnsitz in der Aufnahmestelle zuordnen. 262 Bestellungen seien wohl durch Menschen erfolgt, die mittlerweile schon wieder ausgereist seien. Bei diesen Flüchtlingen handelt es sich um abgelehnte Asylbewerber aus den Balkanstaaten. Die restlichen Bestellungen mit Lieferadresse in der Landeswohnsiedlung konnten nicht zugeordnet werden. Die Behörden wollen nun abklären, ob sich dahinter real existierende Personen verbergen, oder ob die Personalien erfunden wurden, so Oberstaatsanwalt Rebmann.

Der saarländische Innenminister Klaus Bouillon hatte im Landtag über die Strafanzeigen berichtet. Laut Medienberichten kommentierte der CDU-Politiker die Vorfälle sehr launig: "Das heißt, der eine oder andere ist durchaus clever und weiß, das System zu nutzen." Gegenüber dem Handelsblatt wollte Zalando die Betrugsfälle nicht kommentieren. Das Unternehmen teilte jedoch mit, dass es die Äußerungen des Ministers als sehr unangebracht empfinde.

Die Vorfälle in Lebach werfen ein schlechtes Licht auf das Sicherheitskonzept von Zalando. Das börsennotierte Unternehmen investiert viel Geld in Systeme, die helfen sollen, Betrugsversuche frühzeitig zu unterbinden. Dass allerdings fast 1000 Pakete an ähnliche Adressen und ohne Zahlungseingang geliefert werden, weckt erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Systeme.

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