Malu Dreyers Botschaften für die Bürger

Mainz · Ministerpräsidentin Malu Dreyer misst dem demografischen Wandel einen besonderen Stellenwert bei. Die ländlichen Regionen sollen gestärkt werden, etwa durch eine neue Förderpolitik des Landes. Gleichzeitig hält Dreyer strikt am Sparkurs der Landesregierung fest und kündigt neue, schmerzhafte Einschnitte bis 2016 an.

Mainz. Normalerweise wird im Landtag lebhaft diskutiert und gestritten. Am Mittwoch nicht. Die Abgeordneten lauschen stumm den Ausführungen einer Frau. Nur vereinzelt gibt es Zwischenrufe. Malu Dreyer, seit zwei Wochen Ministerpräsidentin, liest eineinhalb Stunden lang ihre erste Regierungserklärung vor. Die Stunde der Parlamentarier schlägt erst heute bei der Generaldebatte über das, was die Sozialdemokratin verkündet hat.Im Großen und Ganzen arbeitet Dreyer die politischen Ziele ab, die im rot-grünen Koalitionsvertrag im Mai 2011 fixiert worden sind. "Die rot-grüne Regierungsarbeit muss nicht neu erfunden werden", betont sie. Themen wie kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni oder die Energiewende sind bekannt.Die Regierungschefin hält am Sparkurs fest. "Die Maßnahmen sind spürbar. Das weiß ich aus vielen Briefen und Gesprächen", sagt sie. Dreyer stellt aber klar, bis 2016 seien noch weitere Einsparungen erforderlich, um das Konsolidierungsziel von 1,2 Milliarden Euro zu erreichen. Welche, verrät sie nicht.Mehr Geld sollen die Kommunen in Rheinland-Pfalz bekommen, und zwar eine halbe Milliarde Euro bis 2016. Rund 200 Millionen Euro würden außerdem zugunsten von Städten und Landkreisen umgeschichtet. "Das Land wird einen eigenen spürbaren Beitrag leisten", sagt Dreyer. Bis Ende Februar werde ein Gesetzentwurf vorgelegt.Echte Neuigkeiten verbergen sich eher in Nebensätzen. Zum Beispiel, dass zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls an den Schulen 500 Lehrerstellen zusätzlich bis 2016 geplant werden. Oder dass der nächste Hochschulpakt kommen soll. Oder dass Betriebe von einer Ausbildungsplatzgarantie für jeden Jugendlichen überzeugt werden sollen.Schon als Sozialministerin hat Malu Dreyer der Gestaltung des demografischen Wandels größte Bedeutung beigemessen. Dieses Thema nimmt breiten Raum in ihrer Regierungserklärung ein. Sie will wie bei der Konversion, also der Umwandlung militärischer in zivile Flächen, ein Demografiekabinett einrichten. Das soll gewährleisten, dass sich alle Minister regelmäßig mit diesem Schwerpunkt befassen.Malu Dreyer will mit einer veränderten Förderpolitik des Landes passgenaue Lösungen für Städte wie Mainz und Trier, wo der Wohnraum knapp ist und die Mietpreise hoch sind, sowie für die ländlichen Regionen entwickeln, wo Gebäude leer stehen. In Schwerpunktregionen sollen Wohnraumprojekte gestartet werden, die sich an den Wünschen der Bürger orientieren. Die Abstimmung zwischen Innen- und Sozialministerium läuft.Als "zentrale Gerechtigkeitsfrage" bezeichnet die Ministerpräsidentin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese sei auch für Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften ein wesentlicher Faktor. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz sei noch nicht erfüllt. "Wir streben eine Betreuungsquote von mindetens 39 Prozent an", sagt Dreyer. Die Kommunen würden beim U3-Ausbau "stärker als bisher unterstützt". In Kürze werde es dazu einen Vorschlag geben.Eher am Rande streift die 51-Jährige politische Baustellen wie den Nürburgring und den Flughafen Hahn. Ihr Motto: Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit. "Ich bin offen für kritische Ratschläge und für mögliche Korrekturen." In beiden Fällen sollen die europarechtlichen Spielräume mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Dreyer verhehlt nicht, dass ihr die einseitige wettbewerbsrechtliche Ausrichtung in Brüssel zulasten einer regionalen Strukturpolitik missfällt.Zentrale Verkehrsprojekte finden ebenfalls lediglich Erwähnung in der Regierungserklärung. Den A-1-Lückenschluss in der Eifel nennt Malu Dreyer nicht explizit. Jeder weiß aber, was damit gemeint ist, wenn sie auf Differenzen mit den Grünen hinweist und sagt: "Da, wo es unterschiedliche Auffassungen gibt, ist der Weg zu einer Einigung einvernehmlich beschrieben." Die Landesregierung werde "rechtzeitig definieren, welche Projekte für den nächsten Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden".Neue Formen der Zusammenarbeit von Bürger und Staat beschreibt die Ministerpräsidentin ausführlicher. Die Politik habe eine Bringschuld, müsse sich erklären und transparenter werden. Deshalb werde es ein Transparenzgesetz geben. Außerdem wünsche sie sich, dass das Quorum für Bürgerbegehren von derzeit 300 000 auf 150 000 Unterschriften gesenkt werde. Schließlich installiert die Regierungschefin Bernhard Nacke als Beauftragten für das Ehrenamt.Nach ihrer Rede applaudieren die Abgeordneten von SPD und Grünen minutenlang. Derweil demonstriert der Eifeler CDU-Politiker Michael Billen süffisant sein Missfallen: Er reckt einen Stapel Post in die Höhe, den er wohl während Dreyers Rede durchforstet hat, und verlässt als Erster vorzeitig den Plenarsaal.

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