Martin Schulz und seine fragliche Zukunft in Europa

Brüssel · Als Präsident des Europäischen Parlaments macht Martin Schulz eine gute Figur. Das bestätigen ihm nicht nur seine Parteifreunde. Doch seine Amtszeit läuft bald ab. Wäre Schulz auch ein Mann für die SPD-Kanzlerkandidatur?

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vor wenigen Tagen einen Stein ins Wasser geworfen. In einem Interview teilte er mit, er müsse nicht Kanzlerkandidat werden. Die SPD könne auch abstimmen, wer für die Genossen im Herbst 2017 Angela Merkel herausfordert. Einer der möglichen Kandidaten hat umgehend abgewunken. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz erklärte, für ihn sei der Parteichef der natürliche Kandidat.

Einer, der ebenfalls immer wieder genannt wird, schweigt: Der einflussreiche Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz.
Was ist eigentlich mit Schulz? Dies ist die Personalie, die in Brüssel gerade viel diskutiert wird. Abgesprochen ist, dass der Mann aus Würselen bei Aachen am 17. Januar den Posten abgegeben muss, auf dem er in den vergangenen fünf Jahren zu Hochform aufgelaufen ist. Im Januar ist die Hälfte der Wahlperiode in Brüssel herum. Dann soll er den Weg frei machen für einen Christdemokraten an der Spitze der Volksvertretung.Koalition der Pro-Europäer

Dies sieht eine Vereinbarung vor, die zwischen der konservativen EVP-Fraktion und der sozialdemokratischen Fraktion getroffen wurde. Rote und Schwarze bilden in Europa eine informelle große Koalition der Pro-Europäer, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trägt und unterstützt.

Christdemokraten betonen im Gespräch an dieser Stelle gern, dass es sich um eine "schriftliche Vereinbarung" handelt. Sie tun dies, weil sie die Sorge haben, dass Schulz nicht weichen möchte. Er hat Gefallen gefunden am Amt. Und obwohl er gelegentlich mit der Rente kokettiert, glaubt eigentlich niemand, dass Schulz, der im Dezember 60 geworden ist, aufhören könnte. Warum nicht nach Berlin?Vorschläge aus dem Umfeld

Er selbst schweigt über seine Ambitionen. Aber sein Umfeld bringt ihn immer wieder ins Gespräch für eine weitere Amtszeit in Brüssel. Udo Bullmann, Chef der SPD-Abgeordneten, sagt: "Es hat niemals einen Präsidenten des Europaparlaments wie Martin Schulz gegeben, der die Bedeutung und das Ansehen des Parlaments so sehr gemehrt hat." Und weiter: "Martin Schulz weiß, dass die Europa-Abgeordneten der SPD geschlossen hinter ihm stehen."

Klar ist in Brüssel, dass Kommissionspräsident Juncker und Schulz eng und gut zusammenarbeiten. Schulz sei Junckers "Wunschpartner", man kenne sich lange gegenseitig, man vertraue einander. Ein Sozialdemokrat sagt: "Wenn ich mich nicht irre, wird Juncker alles tun, um seine EVP zu überreden, dass Schulz bleibt." Hört man sich in anderen Fraktionen um, so stehen die Chance für so eine Aktion nicht sonderlich gut. Herbert Reul, der die Abgeordneten von CDU und CSU in Brüssel anführt, wehrt ab: "Warum sollte es ein zweites Mal ein Sonderrecht für Martin Schulz geben?" Dafür spreche sich niemand in seinen Reihen aus.

Damit erinnert Reul an das ungeschriebene Gesetz, dass der Präsidentenposten zwischen Konservativen und Sozialdemokraten hin- und herwechsele, aber Schulz, der das Amt seit 2012 besetzt, bereits nach der Europawahl in die Verlängerung gegangen sei. Schulz sei auch nicht unersetzlich für die informelle große Koalition, meint Reul. "Das Ja der Sozialisten zum Austausch der Fluggastdaten hat Schulz zum Beispiel nicht hingekriegt". Dafür habe erst die französische Regierung nach dem Terror von Paris anreisen müssen.

Einer, der wegen seiner Parteizugehörigkeit unverdächtig ist, nur aus Gründen der politischen Farbenlehre gegen eine Verlängerung für den Genossen zu sein, meldet sich ebenfalls mit Kritik an Schulz zu Wort.Bedenken seitens der Grünen

Reinhard Bütikofer, Urgestein der Grünen und seit 2009 in Europa, gibt zu bedenken: Schulz habe zweifellos große Verdienste um Europa. Er habe es etwa geschafft, dem Europaparlament ein Gesicht zu geben, das weithin bekannt sei. Aber, so Bütikofer weiter: "Schulz löst immer wieder auch Abwehrreflexe aus." Er polarisiere zu stark und sei damit in vielen Mitgliedsstaaten nicht sonderlich beliebt.

Breitseiten gegen Schulz kommen von Grünen und Union noch aus anderen Gründen. Im Bericht des CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper im Haushaltskontrollausschuss wird bemängelt, dass Schulz im jüngsten Europawahlkampf nicht sauber genug getrennt habe zwischen seinem Amt als Parlamentspräsident und als Spitzenkandidat. Pieper bemängelt, dass Schulz "zumindest indirekt das Personal aus dem Parlament für seine Kampagne benutzt hat". Weiter heißt es dort: Schulz habe "das Twitter-Profil des Parlamentspräsidiums in sein persönliches Profil verwandelt und als solches im Wahlkampf benutzt".

Auf Kritik stößt zudem, wie Schulz sich für enge Mitarbeiter einsetzt. Er betreibe "knallhart seine Agenda in der Personalpolitik", hört man bei der Union. Und wiederum der Grüne Bütikofer moniert: "Im Europaparlament hat er viele verärgert, weil er selbstherrlich vorgeht und immer wieder recht rücksichtslos seine Genossen auf gute Jobs hievt."

Derzeit sorgt für Empörung, dass Schulz seinen engsten Mitarbeiter, es geht um seinen "Kabinettschef", zum Vize-Generalsekretär des Parlaments machen will.

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