Mehr als Trubel um Toni Erdmann - Aufwind für deutschen Film in Nordamerika - Chancen auf Preis bei Golden Globes

New York · German movies? Great! Das nordamerikanische Kino entdeckt den deutschen Film jenseits von Nazis und Stasi. „Toni Erdmann“ lieben alle und er hat gute Chancen bei den Golden Globes am Sonntag - aber den größten kommerziellen Erfolg hat eine Komödie.

Wer ihn im Kino gesehen hat, der weiß es sowieso: „Toni Erdmann“ ist anders als andere. Der von Peter Simonischek gespielte vermeintliche Unternehmensberater in Rumänien hat im gleichnamigen Film schiefe Zähne und reichlich unorthodoxe Arbeitsansätze. Doch auch der Film selbst und sein internationaler Erfolg sind für einen deutschen Film äußerst ungewöhnlich. Statt von Nazis oder der Stasi erzählt er eine moderne Geschichte über Väter und Töchter und die weltweite Beraterkaste.

Am meisten arbeiteten sich die Kritiker aber daran ab, dass deutsche Filme plötzlich witzig sein sollen. „Die mit Abstand lustigste, beinahe dreistündige deutsche Komödie, die sie je sehen werden“, bilanzierte der Kritiker der „New York Times“. Er ist mit seiner Begeisterung nicht allein. Kaum eine Besprechung hat den Film nicht in den Himmel gelobt, viele Jahreshitlisten von „Wall Street Journal“ über „Variety“ führten ihn auf Spitzenplätzen.

Kein Wunder also, dass Maren Ades Film am Sonntag auch gute Chancen hat, bei den Golden Globes als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet zu werden. Es wäre der erste Sieg für einen deutschen Film in dieser Kategorie seit „Das weiße Band“ im Jahr 2010. Auch für den Auslands-Oscar Ende Februar zählt er neben dem iranischen „Forushande“ von Asghar Farhadi zu den Top-Favoriten.

Doch in Nordamerika erleben auch andere deutsche Stoffe einen Aufschwung, in denen es nicht um die zeitgeschichtlichen Themen geht, die es üblicherweise ins Ausland schaffen. So lief beim Sundance Festival die Drama-Komödien-Mischung „Wild“ von Nicolette Krebitz über eine Frau, die sich in einen Wolf verliebt. Beim immer wichtiger werdenden Festival im kanadischen Toronto schaffte es gleich ein Dutzend Spielfilme und Dokumentationen ins Programm. Viele davon erhielten äußerst lobende Kritiken, darunter „Gaza Surf Club“ über eine Gruppe Surfer im Gazastreifen.

Auch die klassischen Stoffe schaffen es aber weiterhin auf die internationalen Leinwände. Der Nachkriegs-Film-Noir „Phoenix“ mit Nina Hoss und Ronald Zehrfeld brachte es sogar auf mehr als drei Millionen Dollar Einspielergebnis. „Labyrinth der Lügen“, letztes Jahr glücklos im Rennen um den Auslandsoscar, lief immerhin rund ein halbes Jahr im US-Kino.

„Ich kann das aber gut verstehen, die Geschichte ist virulent und düster und deutsche Politik hat die Weltpolitik massiv beeinflusst“, sagt Regisseur Lars Kraume über diesen Schwerpunkt. Er selbst hatte mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ einen gut besprochenen Film in den US-Kinos. Das Drama über den Anwalt, der in der Nachkriegszeit den Prozess gegen Adolf Eichmann antrieb, lief besonders in den Großstädten an den US-Küsten gut. Aber Kraume gönnt auch „Toni Erdmann“ oder dem im Jahr zuvor gestarteten Berlin-Thriller „Victoria“ den Erfolg. „Ich freue mich über jeden Film, der nicht mit der deutschen Geschichte verbunden ist“, sagt er.

Dass der internationale Trend zu einem vielfältigeren Abbild deutscher Themen geht, zeigt auch der ungewöhnlichste Erfolg im US-Kino für einen deutschen Stoff. Die Schul-Comedy „Fack Ju Göhte“ hat im Herbst eine Wiederauflage auf Spanisch erlebt. „No Manches Frida“ lief in fast 500 Kinos gleichzeitig und spielte insgesamt 11,5 Millionen Dollar ein. Damit zählt der Film laut der Branchenseite „Box Office Mojo“ zu den 20 erfolgreichsten fremdsprachigen Filmen in den USA aller Zeiten - ganz knapp gefolgt von einem Klassiker: Auf Rang 21 liegt in dieser Statistik „Das Boot“ aus dem Jahr 1982.

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