Minister setzen Verteilung gegen Widerstand durch

Brüssel · Monatelang wurde gestritten. Nun haben die EU-Staaten die Verteilung von 120 000 Flüchtlingen per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt. Mehrere osteuropäische Länder wurden einfach überstimmt. Das ist ziemlich einmalig — und sorgt für Ärger.

Brüssel. Gegen den Widerstand mehrerer osteuropäischer Staaten haben die EU-Innenminister im zweiten Anlauf eine Umsiedlung von Flüchtlingen innerhalb Europas beschlossen. Bei ihrer Krisensitzung am Dienstag in Brüssel beschlossen sie, 120 000 Asylbewerber - vorrangig aus Griechenland und Italien - gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Deutschland soll demnach offenbar rund 31 000 Flüchtlinge aufnehmen. "Mit dieser Entscheidung kann die EU die Lage wieder in den Griff bekommen", sagte der Luxemburger Minister Jean Asselborn als derzeitiger Ratsvorsitzender.
Das Votum fiel nicht einstimmig. Tschechien, Ungarn, Rumänien und die Slowakei stimmten - obwohl nicht mehr von einer Quote die Rede ist und damit auch kein dauerhafter Verteilungsschlüssel eingeführt wird - gegen den Kompromissvorschlag. Finnland enthielt sich. "Ich hätte einen Konsens vorgezogen, doch das haben wir nicht geschafft", sagte Asselborn. "Manche werden jetzt sagen, die EU sei gespalten. Aber wir befinden uns in einer Notlage, in der die Fähigkeit der Gemeinschaft zu handeln infrage stand", fügte er an.
Die notwendige Mehrheit kam nur deshalb zustande, weil Polen aus dem Lager der Neinsager ausschied. Das Land sei "ein wichtiger Baustein" zur Lösung der Flüchtlingskrise, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach der Sitzung: "Heute ist ein wichtiger Schritt gegangen worden - weitere müssen und werden folgen."
De Maizière wies darauf hin, dass nun nicht nur weniger Menschen über die Balkanroute in die Bundesrepublik kommen würden, sondern Deutschland nach einem entsprechenden Kommissionsvorschlag auch direkt Flüchtlinge abgeben könnte: "Das wäre dann eine zusätzliche Entlastung."
6000 Euro aus dem EU-Haushalt bekommt jedes Land pro Flüchtling, der aus einem anderen Land dorthin gebracht wird. Anspruch auf Sozialleistungen wird er nur in dem Land haben, dem er zugeteilt wurde. Dies soll verhindern, dass die Asylbewerber doch in ihr bevorzugtes Land gehen. Unter "außergewöhnlichen Umständen" kann sich ein Land bis zu 30 Prozent und für maximal zwölf Monate aus dem Verteilungsmechanismus ausklinken.
Der Luxemburger Ratschef Asselborn sagte, er gehe davon aus, dass alle Länder den Beschluss umsetzen würden, da er nun geltendes EU-Recht sei. Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte, die Länder, die mit Nein gestimmt haben, hätten die Entscheidung anschließend akzeptiert.
Dagegen sagte der slowakische Minister Robert Kalinak im Anschluss, sein Land werde nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof prüfen.Extra

Europa überdenkt Haltung zu Diktator Assad: Die Europäer sind anscheinend bereit, ihre Haltung gegenüber dem syrischen Diktator Bashar al-Assad zu überdenken. In deutschen Regierungskreisen wurde bestätigt, dass beim Treffen der Staats- und Regierungschefs die Frage einer Beteiligung Assads an Friedensgesprächen erörtert werde. Ein französischer EU-Diplomat sagte, das eröffne womöglich "einen gewissen Spielraum" auch für die Gespräche über Syrien mit Russland, das schon länger eine Einbindung Assads fordert und diesen militärisch unterstützt - unter anderem gegen die Gotteskrieger des Islamischen Staates (IS). zie

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