Missbrauchsvorwürfe gegen Fernsehlegende Bill Cosby

Washington · Als Bill Cosby mit seiner unvergesslichen Sitcom auf Sender ging, dauerte es nicht lange, da war er so etwas wie Amerikas Mustervater. Dr. Heathcliff „Cliff“ Huxtable, hilfsbereit und lebensklug, ein Gynäkologe aus Brooklyn, verheiratet mit der bezaubernden Clair und Vater von fünf reizenden Kindern, ein freundlicher Patriarch, der nicht selten mit ironischem Augenzwinkern auf die Welt schaute.

Ausgestrahlt von 1984 bis 1992, war die Serie so erfolgreich, dass Coretta Scott King, die Witwe des Bürgerrechtspredigers Martin Luther King, vom positivsten Porträt einer schwarzen Familie sprach, das je im Fernsehen gezeichnet wurde. Die Huxtables waren Afroamerikaner, die in komfortablen Verhältnissen lebten, nicht im Elend. Wer sich anstrengt, der kann es schaffen, selbst wenn seine Vorfahren Sklaven waren, lautete die Botschaft, mit der sich das weiße Amerika auch dann anfreunden konnte, wenn es eher konservativ gesinnt war. Jedenfalls wurde Cosby gefeiert als "America's Dad".

Und nun das. Die Demontage eines Denkmals. 16 Frauen haben sich mittlerweile zu Wort gemeldet, um zu schildern, wie Cosby sie vergewaltigte, als er sich im Glanz Hollywoods sonnte und sie schwer beeindruckt waren von seinem Ruhm. Meist soll er ihnen etwas in den Drink gemixt oder sie mit Tabletten schläfrig gemacht haben, um sie dann zum Sex zu zwingen.

Es begann damit, dass ihn der Komiker Hannibal Buress vor Wochen als scheinheiligen Moralapostel charakterisierte: Cosby setze sich immerzu aufs hohe Ross, dabei habe er Frauen missbraucht. Kurz darauf meldete sich Barbara Bowman zu Wort, eine Schauspielerin, die im Teenageralter unfreiwillige Liebesnächte mit dem Superstar verbrachte. Einmal habe ein Glas Wein in Cosbys New Yorker Wohnung sie buchstäblich ausgeknockt. Als sie aufwachte, habe sie bis auf ihren Slip - und das T-Shirt eines Mannes - nichts mehr am Leibe getragen. Mit Bowmans Erinnerungen war der Damm gebrochen. Das Model Victoria Valentino, einst zum Playboy-Playmate des Monats gekürt, die Kellnerin Linda Traitz, eine frühere Hollywood-Autorin namens Joan Tarshis: Sie alle wussten Ähnliches zu berichten.

Warum die Frauen erst jetzt ihr Schweigen brechen? Sie sei doch nur ein kleines Licht gewesen, der berühmte Bill Cosby mit seinem Geld, seinen Advokaten hätte sie fertiggemacht, sagt Traitz. Der Beschuldigte selber lässt bislang lediglich wissen, dass man auf Unterstellungen nicht antworten müsse. Sein Anwalt Martin Singer spricht von lächerlichen Fantasiegeschichten; der Gipfel des Absurden sei längst überschritten. Wie auch immer, hinter Cosbys groß angekündigtem Comeback, dem Paukenschlag eines 77-Jährigen, stehen auf einmal dicke Fragezeichen. NBC hat den Plan einer neuen Sitcom mit ihm ad acta gelegt, während der Kabelsender Land TV auf die Wiederholung der "Cosby Show" aus den Achtzigern vorerst verzichtet. Noch schwerer wiegt allerdings, dass eine moralische Instanz unter die Räder kommt - und das konservative Amerika Ronald Reagans wohl gerade einen seiner wenigen afroamerikanischen Helden verliert.

Die Leute sollten zu Hause bleiben und sich lieber die letzte Folge seiner Serie anschauen, statt wütend auf die Straße zu gehen, mahnte Cosby, als 1992 in Los Angeles schwere Unruhen ausbrachen. Eine Geschworenenjury hatte vier Polizisten freigesprochen, obwohl sie einen schwarzen Autofahrer namens Rodney King fast zu Tode geprügelt hatten.

Vor zehn Jahren - die afroamerikanische Bürgerrechtsliga NAACP feierte einen Meilenstein ihres Kampfes gegen den Rassismus - sorgte Cosby für Furore, indem er den hypothetischen Tod eines jungen Schwarzen zum Thema machte. In seiner Erzählung wurde der Teenager von Polizisten erschossen, weil er ein Stück Kuchen gestohlen hatte. "Und dann rennen wir alle nach draußen und empören uns: ‚Diese Cops, die hätten nicht schießen dürfen!‘ Aber was zum Teufel hatte der Kuchen in seiner Hand zu suchen? Dem Jungen hätte man sagen müssen, dass er seine Mutter blamiert, wenn er Kuchen stiehlt". An die Afroamerikaner der Großstadtghettos gewandt, predigte Cosby: "Ihr könnt nicht ständig darum bitten, dass Gott es schon richten wird. Gott hat genug von euch.” Der Soziologie-Professor

Michael Eric Dyson warf dem Mimen daraufhin vor, jegliche Antenne für die Probleme ärmerer Zeitgenossen verloren zu haben. Die Attitüde des harten Pädagogen maskiere lediglich "bourgeoise Abscheu vor der Not der ökonomisch Gedemütigten".

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