"Mutter Rosa war eine Kämpferin"

Mutter Rosa (1826-1906), die am Sonntag im Trierer Dom seliggesprochen wird, war Gründerin und erste Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen. Heute wird der Westerwälder Orden von Schwester Basina Kloos (68) geführt.

Trier. (sey) Die zwölfte Nachfolgerin Mutter Rosas gilt als eine der einflussreichsten Frauen in der katholischen Kirche. Und als eine der kämpferischsten. Im TV-Interview sagt die streitbare Christin und Frauenrechtlerin, warum Mutter Rosa - mehr als 100 Jahre nach ihrem Tod - vor allem für viele gläubige Frauen ein Vorbild ist. Mit Schwester Basina sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz. Schwester Basina, warum ist die Seligsprechung Mutter Rosas etwas Besonderes für Ihren Orden? Schwester Basina: Weil diese öffentliche Anerkennung in der katholischen Kirche immer etwas Besonderes ist. Bei Mutter Rosa kommt hinzu, dass sie in ihrem Leben ja genau das Gegenteil erfahren hat: Die Ordensgründerin wurde kaltgestellt und 28 Jahre ausgegrenzt und totgeschwiegen. Eigentlich sollte ihr Name nach dem Willen der Nachfolger und des Rektors ja aus dem Gedächtnis der Gemeinschaft gelöscht werden. Sie haben es angesprochen: Mutter Rosa wurde von ihrem eigenen Orden an den Rand gedrängt. Wie kam es dazu, dass sich die Waldbreitbacher Franziskanerinnen ihrer Gründerin plötzlich wieder erinnerten? Schwester Basina: Mutter Rosa wurde seinerzeit an den Rand gedrängt, weil der geistliche Rektor die Schwestern beeinflusst hat. Ich glaube nicht, dass das heute noch so funktionieren würde. Auch in der Kirche sind die Frauen selbstbewusster geworden. Von wem ging denn der Sinneswandel aus? Schwester Basina: Eine frühere Generaloberin, Mutter Edmunda Klein, hat auf Anregung ihrer Mit-Schwestern bei einer Audienz Papst Pius XII. auf Mutter Rosa angesprochen. Der Papst hat sie dann ermutigt, alles zu tun, damit die Ordensgründerin selig gesprochen wird. Als ich in der 50er Jahren dem Orden beigetreten bin, habe ich übrigens noch nicht viel von der Gründerin gehört. Eine bedeutende katholische Frau wird selig gesprochen, zelebriert wird das Pontifikalamt aber ausschließlich von bedeutenden katholischen Männern. Wo ist denn am Sonntag Ihr Platz im Dom? Schwester Basina: Wenn Diözesan-Administrator Bischof Robert Brahm zu Beginn des Gottesdienstes um die Seligsprechung Mutter Rosas bittet, stehen Schwester Engeltraud Bergmann und ich mit am Altar. Macht Sie das nicht auch ein bisschen wütend, an einem so wichtigen Tag als General-Oberin im Prinzip nur die zweite Geige zu spielen? Schwester Basina: Ich weiß, dass die katholische Kirche in der Frauen-Frage nicht weitergekommen ist. Und ich habe mich damit abgefunden, den Kurswechsel möglicherweise nicht mehr zu erleben. Vor fünf Jahren sagten Sie mir auf die Frage nach dem Frauen-Priestertum noch, sie hofften auf ein Wunder…. Schwester Basina: Nun bin ich der Meinung, dass sich auch während der Amtszeit des jetzigen Papstes daran nichts ändern wird. Aber genau das hat unsere Gründerin uns vorgelebt: im Hintergrund stehen zu können. Es geht schließlich um die Ehre Gottes, nicht um Positionen von Männern oder Frauen. Besonders viel scheint sich seit den Lebzeiten von Mutter Rosa dann ja doch nicht geändert zu haben in der katholischen Kirche: Die Frauen machen einen Großteil der Arbeit an der Basis, die Männer besetzen die Leitungspositionen… Schwester Basina: Es gibt inzwischen die erste Ordensfrau, die in einer vatikanischen Kongregation eine hohe Position innehat. Da wünsche ich mir, dass sich noch einiges mehr in diese Richtung bewegt. Da ist der von Ihrem Orden geführte Gesundheitskonzern, die Marienhaus GmbH, schon etwas weiter: Sprecherin der Geschäftsführung ist ebenfalls eine Frau. Schwester Basina: Stimmt. Frauen führen einfach anders. Männer sind sehr hierarchisch, Frauen sind kommunikativer, können mehr vernetzen. Das würde ich mir auch als Bewegung in der Kirche wünschen. Aber noch einmal: In der Vorbereitung der Seligsprechung haben wir - trotz mancher unterschiedlicher Sichtweisen - mit dem Trierer Bistum gute Erfahrungen gemacht. ….weil Bischof Reinhard Marx weg ist oder obwohl er weg ist? Schwester Basina: (lacht) Nein, wir haben uns verstanden. Er hat seine Meinung gesagt, ich meine. Bleiben wir beim Thema Meinungsstärke: Sie haben einmal gesagt, Mutter Rosa sei auch deshalb für Sie ein Vorbild, weil sie ihr Schicksal "bedingungslos angenommen" habe. So ganz kann ich das nicht glauben: Sie gelten als eine der kämpferischsten und durchsetzungsstärksten Frauen in der katholischen Kirche. Wie passt das zusammen? Schwester Basina: Es gibt Situationen, in denen kann ich mich auch nicht durchsetzen. Diese Erfahrung habe ich auch im Vorfeld der Seligsprechung gemacht. Dies aus dem Glauben heraus anzunehmen und nicht zu resignieren, hat mir unsere Ordensgründerin vorgelebt. Es gibt eine Reihe von Themen in der katholischen Kirche, da komme ich nur zurecht, wenn ich mir sage: Gut, ich trage das aus einer gläubigen Einstellung heraus. Denn nicht in jeder Entscheidung ist die Handschrift des Heiligen Geistes zu erkennen. Bleiben wir beim Thema Vorbild-Funktion: Warum ist die Ordensgründerin auch mehr als 100 Jahre nach ihrem Tod ein Vorbild für Sie? Schwester Basina: Weil vieles von dem, was Mutter Rosa damals gelebt hat, auch heute noch zutrifft. Sie hat es sehr gut verstanden, Gottes- und Nächstenliebe als Einheit zu leben. Sie war risikobereit, innovativ, für Menschen am Rande der Gesellschaft da und eine Kämpferin, eine Frau mit brennendem Herzen. Mutter Rosa war eine bescheidene, demütige Frau. Der von ihr gegründete Orden ist Gesellschafterin der Marienhaus GmbH, mit 60 Einrichtungen heute einer der größten Akteure auf dem deutschen Gesundheits- und Pflegemarkt. Ist das nicht ein Widerspruch? Schwester Basina: Das passt gut zusammen. Ein Biograf hat einmal geschrieben: Mutter Rosa war eine geistliche Unternehmerin. Sie musste zu ihrer Zeit ja auch schauen, wie sie ihre vielen Hilfs- und Bauprojekte finanziert. Also hat sie beispielsweise Männerjacken gestrickt und sie verkauft. Damit war Mutter Rosa Unternehmerin. Ob sie heute so viele Einrichtungen führen würde, weiß ich natürlich nicht. Was bedeutet die Seligsprechung für die zukünftige Arbeit der Franziskanerinnen von Waldbreitbach? Schwester Basina: Wir müssen den Fokus noch deutlicher auf jene Menschen richten, die sich in einer Notlage befinden - sei es in Sinnfragen oder materiell. Zur person Schwester Basina wurde im Februar 1940 als Dorothee Kloos in Bad Gams (Steiermark) geboren. Sie wuchs in Idar-Oberstein auf und trat mit 17 Jahren dem Orden der Franziskanerinnen von Waldbreitbach bei. Stationen der gelernten Krankenpflegerin: Lehrerin, Klinik-Verwaltungsleiterin, Geschäftsführerin der Marienhaus GmbH. In der Ordensleitung war sie Generalsekretärin und Generalvikarin. 1988 wurde sie zum ersten Mal zur Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen gewählt. 1995 wurde sie Generalsekretärin der Ordensoberinnen Deutschlands. Seit acht Jahren steht Schwester Basina wieder an der Spitze ihres Ordens - gewählt bis 2012.TV-Foto: Friedemann Vetter

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