Nach den vereitelten Anschlägen ist der Alltag in Verviers noch fern

Verviers · Nur eine halbstündige Autobahnfahrt trennt die Eifel von Verviers, wo mutmaßliche Terroristen einen Anschlag auf die belgische Polizei geplant hatten. Einen Tag nach der tödlichen Schießerei ist die Stadt noch immer im Ausnahmezustand.

Verviers. Das erschreckende an den jüngsten Terroranschlägen ist für viele Menschen nicht nur, dass es sich um eine neue, völlig unberechenbare Form des Terrors handelt. Erschreckend daran ist auch, dass es überall geschehen kann. In Paris, aber auch in Verviers, einer Stadt in der belgischen Provinz. Von der Region Trier trennt diese 55 000-Einwohner-Stadt lediglich eine halbe Stunde auf einer leeren Autobahn, ein paar belgische Berge und eine Wetterscheide.
Die quirlige Kleinstadt am Fuß der belgischen Ardennen hat den Niedergang seiner Textilindustrie einigermaßen überwunden: Elegante Bürgerhäuser aus der Gründerzeit wurden renoviert, hübsche Boutiquen und urige Cafés locken in die belebte Innenstadt. Neben auffällig vielen Kindern und Frauen mit Kopftüchern sowie Männern mit langen Bärten (die Stadt hat eine große muslimische Gemeinschaft) sind dort am Freitag auffällig viele Polizisten und Journalisten unterwegs. Mindestens zehn Filmteams stehen vor der abgeriegelten Rue de la Colline, wo am Tag zuvor zwei mutmaßliche islamistische Terroristen in einer Schießerei den Tod gefunden hatten und einer schwer verletzt wurde.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die mutmaßlichen Dschihadisten "sofort und minutenlang das Feuer eröffnet". Auch Explosionen soll es gegeben haben. Einzige erkennbare Spur der Vorkommnisse sind Rußspuren, die aus dem Erdgeschossfenster schlagende Flammen hinterlassen haben müssen.
Ein paar Hundert Meter unterhalb beginnt währenddessen im Rathaus eine Pressekonferenz, die allerdings keinen Aufschluss über die Identität der Erschossenen liefert. Nur so viel kann der Bürgermeister sagen: Sie stammten nicht aus Verviers. Und sie sind erst kürzlich aus Syrien zurückgekehrt. Verstärkte Polizeipräsenz soll den Bürgern das Gefühl von Sicherheit zurückgeben. Doch wie geht es denen? "Das ist schockierend", sagt ein junger Muslim. Geschockt ist auch ein älteres Ehepaar. Sie hätten Angst, sagt die Frau. "Aber wir werden gar nichts anders machen als vorher. Gar nichts", sagt der Mann trotzig. Sie wollen leben wie bisher - trotz der Terrorangst vor der eigenen Haustür.

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