Neue Verordnung: Kerzen sind die neuen Gurken – EU reguliert Details

Brüssel · Erst nicht endende Diskussionen über die Gurkenkrümmung, dann die Verschlüsse von Olivenölkännchen - jetzt sind die Kerzen dran. Denn die EU hat eine neue Kerzenverordnung herausgegeben, in der detailliert abgehandelt wird, wie standsicher die wächsernen Lichter sein und wie hoch deren Flammen brennen dürfen.


Für den Boulevard ist es ein gefundenes Fressen. "Neuer Regulierungs-Irrsinn aus Brüssel", tönt die "Bild"-Zeitung, die am Mittwoch zuerst über die neue EU-Kerzenverordnung schrieb. Vor dem geistigen Auge tauchen ja auch tatsächlich sofort Gurkenkrümmungsgrade und Olivenölkännchenverschlüsse auf, die Europa in der Vergangenheit nicht eben die Herzen zufliegen ließen.

Und auch Dokument D (2015) 025025/08, das die EU-Kommission Ende Oktober den europäischen Regierungen wie dem Europaparlament übermittelt hat, fördert nicht eben die Liebe zur europäischen Idee. "Frei stehende Kerzen oder Kerzen, die mit einem Halter oder Behälter geliefert werden, müssen während des Abbrennens stabil bleiben", heißt es dort etwa im Kapitel zur "Standsicherheit": "Bei nicht frei stehenden Kerzen, die nicht mit einem Halter oder Behälter geliefert werden, muss der Hersteller den Verbraucher darauf hinweisen, dass die Verwendung eines geeigneten Halters erforderlich ist, sofern diese Information für die sichere Verwendung der Kerze benötigt wird." Und es gibt Regelungen zur chemischen Zusammensetzung, zu Warnhinweisen auf der Verpackung oder der sogenannten "Brandneigung", zu der unter anderem festgestellt wird: "Die Flamme darf maximal eine bestimmte Höhe erreichen."

Das will so gar nicht zu EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker passen, der bei Amtsantritt versprochen hat, dass sich Europa unter seiner Ägide nur noch um die großen Themen kümmern werde. Am Mittwoch hieß es daher, er habe seinen Vize Frans Timmermans aus den Niederlanden gebeten, sich der Sache mit den Kerzen anzunehmen und anschließend dem Kollegium Bericht zu erstatten.

Dem wird zu entnehmen sein, dass intern durchaus die Sorge formuliert wurde, die Kerzen könnten die neuen Gurken und die EU wieder einmal der Lächerlichkeit preisgeben. Zwei Argumente ließen die Beamten dann aber doch voranschreiten: Erstens handelt es sich um eine schon vor drei Jahren auf Weg gebrachte Altlast aus der Vorgängerkommission von José Manuel Barroso, die nun eben irgendwie zum Abschluss gebracht wird. Und zweitens sind alle Beteiligten - Verbraucherschutzexperten der Mitgliedstaaten wie die Kerzenindustrie selbst - für verbindliche Regeln gewesen, nachdem zuvor schon im Jahr 2007 freiwillige Kerzenregeln in Kraft getreten waren.

Lob kommt vom Dachverband "European Candle Association", der die Hersteller repräsentiert, die für rund 60 Prozent der in Europa hergestellten Kerzen stehen, und seinen Sitz in Stuttgart hat. Er müsse "die EU-Kommission in diesem Fall in Schutz nehmen", sagt der Verbandsvertreter Stefan Thomann, es handele sich in diesem Fall "nicht um Regulierungswut". Wie einst auch bei den Gurken haben die europäischen Hersteller selbst auf ein die Regeln gedrungen - auch um sich gegen Billigimporte zu schützen: "Und es wird ja auch nur vereinbart, dass etwa die Rußentwicklung so gering wie möglich sein muss, ohne konkrete Grenzwerte vorzuschreiben", so Thomann weiter, " das bleibt Sache der Experten."

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