Noch viel Fitzelkram bis zur Reform des Ökostroms

Berlin · Bund und Länder haben sich bei der Reform der Ökostrom-Förderung weitgehend geeinigt. Es sei ein hohes Maß an Einigkeit erreicht worden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Berlin. Am Ende der Pressekonferenz zum Spitzentreffen über das Erneuerbare Energiengesetz hatte die Kanzlerin noch einen Wunsch für den eigentlichen Macher der Reform. "Viel Kraft", raunte Angela Merkel (CDU), dem (grünen) Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake zu. "Das ist ja noch jede Menge Fitzelkram". Und wie. Zwar ist sich die große Koalition seit dem stundenlangen Poker vom Dienstagabend mit den Ministerpräsidenten der Länder einig. Doch jetzt kommt Brüssel.
Gestern Mittag flogen Baake und sein Chef, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), in die EU-Kapitale, um dort über die Befreiungen der deutschen Wirtschaft von der EEG-Umlage zu verhandeln. Kurz vor dem Abflug schwante Baake schon, dass es wohl nicht bei den 2000 Ausnahmegenehmigungen bleiben wird, die jährlich fünf Milliarden Euro kosten und von den anderen Stromkunden bezahlt werden.
Ursprünglich wollte Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia Ausnahmen nur für energieintensive Betriebe zulassen, die direkt im internationalen Wettbewerb stehen. Gabriel will einen größeren Kreis. Vom Ausgang hängt auch ab, ob die Bahn weiter befreit werden kann. Nächste Woche soll und muss die EEG-Reform ins Kabinett, damit sie noch im Sommer in Kraft treten kann.
Wenigstens an der Bund-Länder-Front herrscht seit Dienstagabend Ruhe - weil Gabriel Abstriche an seinen Plänen machte. Die Nordländer erreichten, dass die Förderung von Windkraft an Land doch nicht bei einem Zubau von 2500 Megawatt pro Jahr stoppt. Wenn alte durch neue Windräder ersetzt werden ("Repowering"), zählt das nicht mit. Das gibt zusätzlichen Spielraum von 300 Megawatt. Ein Windrad hat heutzutage eine Leistung von rund drei Megawatt. Bei Windanlagen auf See bleibt es bei den vorgegebenen 6500 Megawatt Leistung bis 2020, aber das sogenannte Stauchungsmodell, mit dem die Förderung stufenweise abgebaut wird, wird etwas abgemildert. Beide Entscheidungen reichten, um etwa Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil "angenehm überrascht" reagieren zu lassen. Und auch Schleswig-Holsteins Regierungschef Thorsten Albig (beide SPD), der die Reform vor kurzem noch als Planwirtschaft gescholten hatte, äußerte sich höchst zufrieden. Selbst die Grünen loben die Regelungen zum Windstrom, kritisierten aber, dass das Tempo der Energiewende verringert werde.
Offen blieb, ob die neuen Grenzen schon ab Beginn oder erst ab Ende dieses Jahres gelten sollen. Über die strittige Befreiung von selbstverbrauchtem Strom an der Öko-Umlage wurde gar nicht gesprochen, weil dieses Thema mit den Industriebefreiungen zusammenhängt. Vor allem die Solarbranche zeigte sich wegen der ungeklärten Eigenverbrauchsregelungen gestern besorgt.
Bei der Biomasse hatten Thüringen und Bayern die Forderungen vorher besonders hochgeschraubt. Jetzt bleibt es bei 100 Megawatt geförderten Neuanlagen pro Jahr. Nur am Rande angesprochen wurde die Frage des Stromnetzausbaus. Der Bund beharrt auf seinen Plänen, weil er den Windstrom vom Norden in den Süden führen will. Bayern und Thüringen lehnen neue Trassen bisher ab.
Die Kompromisse kosten laut Rechnung des Ministeriums insgesamt 0,2 Cent je Kilowattstunde. Derzeit zahlen die nicht befreiten Stromkunden schon 6,24 Cent zusätzlich für den Ökostrom. Ohne Reform hätte es Preissprünge von vier Cent und mehr geben können. 2016 wird es wohl schon die nächste Debatte geben, denn ab 2017 sollen nur noch Ökostrom-Projekte gefördert werden, die sich in einem Ausschreibungsverfahren als die billigsten herausgestellt haben. Dazu muss das Gesetz dann erneut reformiert werden.Extra

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat am Mittwoch ein Tauschprogramm für alte Kühlschränke gestartet. Mit dem vom Deutschen Caritasverband initiierten Projekt sollen in den kommenden zwei Jahren bis zu 16 000 Geräte mit hohem Stromverbrauch durch energiesparende Kühlgeräte ersetzt werden. Einkommensschwache Familien können beim Kauf eines neuen Kühlschranks einen Gutschein in Höhe von 150 Euro erhalten. Das Geld wird nach Angaben der Caritas nicht auf den Regelsatz angerechnet. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist, dass das bisherige Gerät mindestens zehn Jahre alt ist. KNA

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