Notärzte in Not: Ein Gerichtsurteil aus Mecklenburg-Vorpommern und seine Folgen für die medizinische Versorgung

Trier/Mainz · Die Krankenhäuser sind für die Bereitstellung von Notärzten im Land zuständig. Doch vor allem in kleineren Häusern fehlt es oft an Personal. Daher greifen sie auf nebenberufliche Notärzte zurück. Doch das könnte in Zukunft schwieriger werden.

Österreich hat das Problem gelöst. Qua Gesetz ist dort festgelegt worden, dass Honorare für nebenberufliche Notärzte nicht sozialversicherungspflichtig sind. Jedenfalls dann, wenn die Honorare nicht die Hauptquelle der Einnahmen eines Arztes sind. Eine solche "praxisgerechte Regelung" fordert die rheinland-pfälzische CDU auch für die hiesigen Honorar-Notärzte. Und erntet dafür dieses Mal die Zustimmung der Landesregierung. Denn auch diese macht sich für die österreichische Lösung stark. In einem Bundesratsantrag will sie die Bundesregierung zu einer Gesetzesänderung auffordern, damit Honorarnotärzte auch in Deutschland künftig nicht als scheinselbstständig gelten.

Die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung habe für die Landesregierung höchste Priorität, teilen Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) und der für den Rettungsdienst im Land zuständige Innenminister Roger Lewentz (SPD) mit.

Hintergrund der Diskussion ist eine Entscheidung des Bundessozialgerichts in Kassel . Dieses hat am 1. August die Beschwerde gegen ein Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern zurückgewiesen. Die dortigen Richter sehen in der Beschäftigung von Notärzten auf Honorar-Basis einen Verstoß gegen die Sozialversicherungspflicht. Die Auftraggeber bezahlen für die Ärzte, die nebenberuflich als Notärzte Dienst schieben, keine Sozialabgaben. Obwohl sich das Urteil nur auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern bezieht, könnte es auch Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz haben. Bei der dortigen Krankenhausgesellschaft geht man davon aus, dass Notarztstandorte geschlossen werden müssen.

Die Kliniken im Land organisieren die Notarztdienste und sind laut Rettungsdienstgesetz für die Bereitstellung der Ärzte zuständig. Ohne die nebenberuflichen Ärzte geht es aber vielerorts nicht. Zum Beispiel in Gerolstein (Vulkaneifel) oder in Hermeskeil (Trier-Saarburg). "Dort kann die Notarztversorgung nur sichergestellt werden, weil wir an beiden Standorten mit Honorarärzten zusammenarbeiten", sagt Heribert Frieling, Sprecher Marienhaus GmbH, zu der die beiden Kliniken gehören.

In Wittlich rechnet man mit Problemen durch das Urteil. Man suche intensiv nach Lösungen, sagt Marius Gregor Dehne, Chefarzt im Wittlicher Krankenhaus. Er ist leitender Notarzt für den bei der Klinik stationierten ADAC-Rettungshubschrauber. Die Notarztbesetzung für den Hubschrauber wird durch das Krankenhaus gewährleistet. Der sogenannte bodengebundene Notarztdienst in Wittlich wird durch den Verein Notärzte der Region Trier, Wittlich und Bernkastel-Kues organisiert. Darin sind 35 nebenberufliche Notärzte Mitglieder.

Bis jetzt sei noch keine eklatante Verschlechterung der Notarztversorgung festzustellen, heißt es bei der für die Rettungsdienste zuständigen Kreisverwaltung Trier-Saarburg. Trotzdem kommt es auch bereits jetzt vor, dass sich einzelne Notarztstandorte etwa wegen fehlenden Personals oder defekter Notarzteinsatzfahrzeuge abmelden müssen. In diesem Fall müssen dann Notärzte aus umliegenden Standorten einspringen.

Häufig wird aber über die integrierte Leitstelle bei der Berufsfeuerwehr Trier, die für die Koordination von Rettungseinsätzen in der gesamten Region zuständig ist, auch der eigens für grenzüberschreitende Einsätze in Rheinland-Pfalz und Saarland bereitstehende Rettungshubschrauber Air Rescue 3 aus Luxemburg alarmiert. Dieser fliegt dann einen Notarzt zum Einsatzort. Das Urteil aus Mecklenburg-Vorpommern hat auf diese Zusammenarbeit ebenso keine Auswirkungen wie auf die Notarztversorgung in der Trierer Innenstadt. Zuständig dafür ist die Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin im Brüderkrankenhaus Trier. "Wir arbeiten ausschließlich mit festangestellten Mitarbeitern", sagt der Chefarzt und Leiter des Notarztstandortes Trier, Fabian Spöhr. Über 3400 Einsätze hatte das Notarztteam im vergangenen Jahr, im Schnitt rund zehn Einsätze täglich.Extra

Das Rettungsdienstgesetz regelt die Organisation und die Aufgaben des Dienstes in Rheinland-Pfalz. Es verpflichtet auch die Krankenhäuser, "Ärzte gegen Erstattung der ihnen entstehenden Kosten als Notärzte zur Verfügung zu stellen. Soweit darüber hinaus Bedarf besteht, wirken niedergelassene und andere Ärzte, ärztliche Arbeitsgemeinschaften und ärztliche Mitarbeiter sonstiger geeigneter Einrichtungen im Notarztdienst mit." Ob es aber diese nebenberuflichen Notärzte künftig weiter geben wird, ist seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts in Kassel, das darin verbotene Scheinselbstständigkeit sieht, offen. Die rheinland-pfälzische Krankenhausgesellschaft geht davon aus, dass es künftig weniger Notärzte geben wird. Laut Richterspruch dürften Klinikärzte nach Dienstende nicht mehr als Notärzte fahren, wenn sie im Krankenhaus ihre gesetzliche Arbeitszeit bereits erreicht haben, sagt Andreas Wermter von der Krankenhausgesellschaft. Deren Geschäftsführer Gerald Gaß hat sich daher an das zuständige Mainzer Innenministerium und ans Gesundheitsministerium gewandt. Er warnt in den Schreiben, die unserer Zeitung vorliegen, die flächendeckende Notarztversorgung in Rheinland-Pfalz sei gefährdet. wieExtra

Der Landtag in Mainz hat sich gestern auf Antrag der CDU-Fraktion mit der Notarztversorgung im Land beschäftigt. Peter Enders (CDU) sieht die Notarztversorgung gefährdet, weil das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern die Beschäftigung von Honorarärzten als Verstoß gegen die Sozialversicherungspflicht sieht. Die CDU fordert eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Unterstützt wurde der Antrag sowohl von der SPD als auch von FDP, Grünen und AfD. Als Grundlage für die Gesetzesänderung sehen alle Landtagsfraktionen eine Reform des Sozialversicherungsgesetzes in Österreich. Dort wurden Honorarnotärzte von der Sozialversicherungspflicht befreit und gelten daher nicht mehr als scheinselbstständig. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) kündigte an, die Landesregierung werde dazu einen Bundesratsantrag stellen. wie

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