Nürburgring: Staatssekretär Barbaro und Rechnungshof-Präsident Behnke streiten über Gutachten

Mainz · Die Landesregierung wirft dem Rechnungshof vor, in seinem Gutachten zum Nürburgring Fachbegriffe und Zahlen falsch zu deuten. Die Behörde kontert, das seien nur Ablenkungsmanöver.

Der eine ist ein junger Finanzexperte und aufstrebender Politiker. Der andere ist ein erfahrener Verwaltungs- und Zahlenfachmann. Salvatore Barbaro (40), Staatssekretär im Finanzministerium, und Klaus P. Behnke (62), Präsident des Landesrechnungshofes, könnten unterschiedlicher kaum sein. Beide gehören der SPD an - was sie aber nicht davon abhält, sich öffentlich ein verbales Duell zu liefern.

Es geht um das jüngste Gutachten der Speyerer Prüfer, in dem das später gescheiterte Zukunftskonzept 2010 für den Nürburgring sehr kritisch beleuchtet wird. Die Kernaussage lautet, die Landesregierung habe damals wissen müssen, dass sich die Investitionen von 330 Millionen Euro für den zuvor erfolgten Ausbau der Eifel-Rennstrecke nicht refinanzieren lassen. Im Rettungskonzept sei mit geschönten Zahlen operiert worden, es sei klar erkennbar zum Scheitern verurteilt gewesen. Das Land habe keinen Kreditauftrag an die Landesförderbank ISB vergeben dürfen, weil das Ausfallrisiko zu hoch gewesen sei. Der Kredit sei unrechtmäßig gewesen.
All das bestreitet die Landesregierung vehement. Nachdem sich Finanzminister Carsten Kühl und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering im Landtag und in dessen Ausschüssen gewehrt haben, legt jetzt Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro, Vorsitzender des ISB-Verwaltungsrates, nach.
Barbaro legt dar, zur Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für Kredite gebe es objektive Berechnungsverfahren. Das in Deutschland am weitesten verbreitete Ratingverfahren sei das des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, dessen sich auch die ISB damals bedient habe.
Demzufolge habe die Einjahres-Ausfallwahrscheinlichkeit nur 2,96 Prozent betragen. "Aus Vorsichtsgründen" sei sie auf 6,7 Prozent angehoben worden. Von einem zu hohen Kreditrisiko könne also mitnichten gesprochen werden, meint Barbaro.
Mit ironischem Unterton hält der Staatssekretär dem Rechnungshof vor, er habe einen englischen Fachbegriff einfach übersetzt - ohne dessen wahre Bedeutung zu verstehen. Der ISB-Kredit habe sich keinesfalls im Bereich einer "spekulativen" bis zu einer "hochspekulativen Anlage" bewegt, wie es die Prüfer moniert hätten. Der Rechnungshof zitiere auch in einer Tabelle das Internetlexikon Wikipedia. Barbaro sagt süffisant: "Inwieweit hierin eine hinreichend seriöse Quelle zu sehen ist, bleibt dahingestellt."

Klaus P. Behnke, in Bitburg geboren und in Trier wohnend, entlocken diese Attacken nur ein müdes Lächeln. Der Rechnungshof habe "eine gänzlich andere Meinung und bleibt dabei". Sein Kommentar zu den Angriffen: "Man konzentriert sich auf einzelne Bäume, um vom Wald abzulenken." Barbaro erwidert darauf seinerseits, den Waldzustand erkenne man an den Baumkronen.
Behnke begründet, ein Rating wie das des Sparkassen- und Giroverbandes sei nur "ein Kriterium von mehreren, um eine Kreditentscheidung zu fällen". Barbaro lasse zum Beispiel die in den Bilanzen 2008 und 2009 ausgewiesene Überschuldung der Nürburgring GmbH völlig außer Acht. Sie habe sich nur mit Gesellschafterdarlehen des Landes über Wasser halten und die Insolvenz umgehen können.

Die Planzahlen des Zukunftskonzeptes hätten auf überzogenen Prognosen beruht, und das Rating des ISB-Kredites sei keineswegs freiwillig aus Vorsichtsgründen nach oben korrigiert worden. Vielmehr sei das zwingend gewesen, weil zuvor als kurzfristig deklarierte Verbindlichkeiten in langfristige hätten geändert werden müssen.
Der Rechnungshof-Präsident stellt noch einmal klar: Wenn man 2010, also ein Jahr vor der Landtagswahl, die Nürburgring GmbH wirklich habe retten wollen, wäre ein Sanierungsgutachten oder ein Umstrukturierungsplan mit Offenlegung aller Fakten Pflicht gewesen.
Die politische Aufarbeitung des Rechnungshof-Gutachtens geht heute weiter. Nachdem es bereits im Innen- und im Haushalts- und Finanzausschuss zur Sprache kam, tagt der Wirtschaftsausschuss.
Nach den Herbstferien folgt noch der Rechtsausschuss.
Die CDU-Opposition hat bislang noch keine Würdigung vorgenommen. Sie lässt auch weiterhin offen, ob sie einen Untersuchungsausschuss verlangen wird.

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