"Null Toleranz für IS-Kämpfer"

Prüm · In Syrien und im Irak ist die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf dem Vormarsch, in Deutschland geraten Kurden und Islamisten aneinander. TV-Redakteur Oliver Haustein-Teßmer hat mit dem Prümer Nahost-Experten Abdel Mottaleb El Husseini (65) über die Gefahr durch Dschihadisten gesprochen.


Wie gefährdet ist Deutschland?
Abdel Mottaleb El Husseini: Der Konflikt ist eine doppelte Gefahr. Er destabilisiert den Nahen Osten, und er wird nun auf deutschem Boden ausgetragen, wie in Celle oder Hamburg.
Warum richten die Alliierten gegen den IS so wenig aus?
Husseini: Die Koalition hat noch kein Konzept, und weder die USA noch die Türkei haben ihre Rolle dort gefunden. Dabei wäre die Türkei in der Lage, die Stadt Kobane an der syrisch-türkischen Grenze von dem IS zu befreien. A ber die türkische Regierung will nicht, dass die kurdischen Separatisten dort gestärkt werden. Zudem hat für die Türkei diese Gefahr bislang keine Priorität ...
... was auch Bundeskanzlerin Angela Merkel der Türkei vorwirft …
Husseini: ... ja, die Türkei hat die Einreise von Dschihadisten über die türkisch-syrische Grenze lange geduldet. Aber jetzt hat die Regierung erklärt, sie würde Bodentruppen schicken, wenn sie dies nicht allein tun muss. Man sollte Ankara beim Wort nehmen.
Was brächte ein Bodenkrieg?
Husseini: Zumindest ließe sich so die Expansion der IS eindämmen. Ansonsten würde eine ganze Weltregion destabilisiert, und mit Saudi-Arabien und Jordanien wären weitere Staaten gefährdet.
Der IS ist ja auch keine homogene Truppe. Im Irak sollen ehemalige Söldner des früheren Machthabers Saddam Hussein mitkämpfen.
Husseini: Was den IS eint, ist die Gegnerschaft zu den Regimes in Bagdad und in Damaskus. Hinzu kommt der Gegensatz zwischen sunnitischen IS-Kriegern und Schiiten im Irak, aber auch im Iran. Kompliziert wird es in Syrien, wo US-Bombenangriffe auf den IS zugleich auch das verhasste Assad-Regime de facto stärken.
Wie soll also der Westen handeln?
Husseini: Aus meiner Sicht wird Assad nicht gebraucht. Aber die Amerikaner könnten nun ausnutzen, dass der Iran sich ebenfalls bedroht fühlt. Eine Zusammenarbeit könnte sich positiv auf die syrische Krise auswirken.
Deutsche Behörden fürchten, dass kampferprobte Dschihadisten auch Deutschland terrorisieren.
Husseini: Es darf null Toleranz für IS-Kämpfer geben. Ich glaube, dass die Politik zugleich auf Zusammenarbeit mit den legalen islamischen Organisationen setzen muss. Ich meine auch, dass sich die Muslime der Frage stellen müssen, wo der Islam Reformen braucht. Es wird in der islamischen Welt Zeit, Politik und Religion zu trennen und den Islam in Einklang mit Demokratie und Menschenrechten zu bringen. Das ist ein langer Prozess. oht

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort