Pflegereform hilft besonders Demenzkranken

Berlin · 20 Jahre nach ihrer Einführung wird die Pflegeversicherung erstmals grundlegend reformiert. Das Gesetz, das der Bundestag dazu am Freitag verabschiedet hat, tritt vorbehaltlich des noch ausstehenden Votums der Länderkammer am 1. Januar 2016 in Kraft.

Berlin. Auch wenn die Pflegereform wie geplant Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt, können die beiden Kernelemente, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren, wegen der notwendigen Vorbereitungszeit erst zu Beginn 2017 wirksam werden. Nachfolgend die wichtigsten Details im Überblick:
Was ist das Ziel des neuen Gesetzes?
Für Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen soll sich die Lage durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz spürbar verbessern. Den Prognosen zufolge werden bis zu 500 000 Menschen mehr als bisher von den gesetzlichen Pflegeleistungen profitieren, weil die Pflegebedürftigkeit breiter gefasst wird. Gegenwärtig beziehen 2,7 Millionen Frauen und Männer Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Etwa zwei Drittel werden zu Hause durch Angehörige und Pflegedienste betreut, ein Drittel in Heimen.

Was ändert sich grundsätzlich?
Bislang wurden in der Pflegeversicherung in erster Linie körperliche Gebrechen von Menschen berücksichtigt und die dar-aus resultierende Hilfsbedürftigkeit in drei Pflegestufen eingeteilt. Dadurch kamen Demenzkranke zu kurz, die oft noch körperlich fit sind, aber wegen psychischer Störungen Hilfe benötigen. Künftig orientieren sich die Pflegeleistungen am Umfang der verbliebenen Selbstständigkeit.

Wie funktioniert das neue System?
Die bisherigen drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade abgelöst. Für die neue Klassifizierung entscheidend sind künftig sechs Bereiche: die Mobilität des Betroffenen, seine Fähigkeit zur Selbstversorgung, psychische Probleme, seine kommunikativen Fähigkeiten sowie krankheitsbedingte Anforderungen und soziale Kontakte. Für jeden Bereich gibt es vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen Punkte. Ihre Summe entscheidet über die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.

Was geschieht mit den heute schon Betroffenen?
Für die Pflegebedürftigen, die nach dem alten System begutachtet wurden, gibt es einen Bestandsschutz - es bleibt also mindestens bei den bisherigen Leistungen. Viele erhalten sogar mehr. Die Umstellung erfolgt automatisch. Wer ausschließlich körperliche Gebrechen hat und sich nicht neu einstufen lassen will, gelangt dabei in den nächst höheren Pflegegrad, also zum Beispiel von Pflegestufe I in den Pflegegrad 2. Demenzkranke kommen zwei Stufen nach oben.

Wie steht es um die Zuzahlungen?
Bisher wächst der Eigenanteil mit steigender Pflegestufe von 460 auf 900 Euro. Damit soll Schluss sein. Künftig gibt es unabhängig vom Pflegeaufwand einen einheitlichen Eigenanteil bei der Heimunterbringung, der im Schnitt bei 580 Euro liegt. Folge: Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 2, also vergleichsweise leichte Fälle, zahlen etwas mehr zu als jetzt. Betroffene mit den Pflegegraden 3 bis 5, das ist die größte Gruppe, werden dagegen entlastet. Dieser Eigenanteil bezieht sich freilich auf den reinen Pflegebedarf. Kosten für die jeweilige Heimunterbringung und Verpflegung kommen noch oben drauf.

Was ändert sich für Angehörige?
Pflegende Angehörige werden besser sozial abgesichert. Wer etwa die Mutter oder den Vater mindestens zehn Stunden in der Woche pflegt, soll Anspruch auf eine höhere Rente bekommen. Nach bisherigem Recht war dazu ein Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden pro Woche erforderlich. Auch die Absicherung im Bereich der Arbeitslosen- und Unfallversicherung wird für pflegende Angehörige verbessert.

Was wird aus dem Pflege-Tüv?
Das wegen seiner fast ausschließlich guten Benotung der Heime kritisierte Bewertungsverfahren wird neu geregelt. Laut Gesetz bleiben dafür drei Jahre Zeit. Erst 2018 soll es ein neues Benotungssystem für Heime und 2019 auch für ambulante Dienste geben. Bis dahin ist es ratsam, die Noten zu ignorieren und sich vor Ort selbst ein Bild von der Qualität eines Heimes zu machen, das für pflegebedürftige Angehörige infrage kommen könnte.

Was kostet die Reform?
Wegen der verbesserten Leistungen steigt der Pflegebeitrag zum 1. Januar 2017 auf 2,55 Prozent (siehe Grafik). Jetzt sind es 2,35 Prozent. Kinderlose zahlen 2,8 statt jetzt 2,6 Prozent.

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