Ruckzuck ist der Parteitag um

Mainz · In rekordverdächtigen zweieinhalb Stunden haben die rheinland-pfälzischen Liberalen am Samstag ihren Parteitag über die Bühne gebracht. Ohne Brexit wäre es wohl noch ein wenig schneller gegangen.

 Nach dem etwas holprigen liberalen Start in der Ampel wurden die Delegierten schon am Eingang des mondänen Mainzer Tagungssaals dazu aufgefordert, nach vorne zu schauen. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Nach dem etwas holprigen liberalen Start in der Ampel wurden die Delegierten schon am Eingang des mondänen Mainzer Tagungssaals dazu aufgefordert, nach vorne zu schauen. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Foto: (g_pol3 )

Mainz. Lag es an der Fußball-Europameisterschaft? Am schlechten Wetter? Oder vielleicht daran, dass es schon der dritte Landesparteitag innerhalb von nur acht Monaten war, zu dem der FDP-Landesverband seine Delegierten zusammengetrommelt hatte? Vielleicht von allem etwas. Jedenfalls dürfte der samstägliche Ruckzuck-Parteitag als einer der kürzesten in die Geschichte der Landes-FDP eingehen. "Völlig überflüssig. Man hätte drauf verzichten sollen", grantelte kurz vor dem Abpfiff einer der altgedienten FDP-Granden, der in seiner jahrzehntelangen Mitgliedschaft schon so manche Aufs und Abs der Partei miterlebt hat.
Im Moment geht es der rheinland-pfälzischen FDP gut. Sehr gut sogar. Nach fünf Jahren in der außerparlamentarischen Opposition ist sie zurück im Mainzer Landtag und hat gleich wieder auf der Regierungsbank Platz genommen, stellt den Vize-Ministerpräsidenten, zwei Minister und drei Staatssekretäre.
Zu verdanken hat die Partei dies zu einem Großteil Volker Wissing. Der 46-jährige Jurist hat die Führung der Partei übernommen, als sie am Boden lag. Und er hat die FDP im März zurück in den Mainzer Landtag gebracht, obwohl ihm das auch in den eigenen Reihen viele nichts zugetraut hatten.
Wissings erste Bewährungsprobe nach der Wahl: Gegen innerparteiliche Widerstände setzte er die Ampel durch. Beim Parteitag machte er noch einmal deutlich, dass die andernfalls nun in Mainz regierende große Koalition keine Alternative gewesen wäre. Dann hätte - wie in Berlin - Stillstand gedroht und die AfD noch mehr Zulauf bekommen. "Das konnte deshalb nicht die Antwort für Rheinland-Pfalz sein", sagte Volker Wissing, und auf dem Podium applaudierte sogar der neue Koblenzer Bezirksvorsitzende und Ex-Ampelkritiker Alexander Buda.
Das aber war es dann auch schon fast mit der Rückschau, auch wenn Wissing noch "einige echte Herausforderungen" ansprach, die ihn als Landwirtschaftsminister gleich zu Beginn richtig gefordert hätten: die Rebenkrankheit Falscher Mehltau und die Preiskrise in der Milchwirtschaft. Wissing sagt, dass man die betroffenen Bauern nicht im Stich lasse, und man könne das nicht allein dem Markt überlassen. Klingt so ein Liberaler?
Eher schon, wenn der Wirtschaftsminister mit Blick auf den Hahn darauf verwies, dass es nicht Aufgabe des Staats sei, einen defizitären Flughafen dauerhaft zu subventionieren. Etwas diplomatischer als sein parlamentarischer Geschäftsführer Marco Weber ("Die Roten haben das Hahn-Projekt versemmelt") ging Wissing am Samstag in der zuletzt im Landtag heiß diskutierten Frage vorsichtig auf Distanz zum Koalitionspartner SPD. Die Verhandlungen mit dem chinesischen Investor seien schon abgeschlossen gewesen, "als wir in die Regierung kamen". Nun sei die entscheidende Frage, ob das neue Geschäftsmodell tragfähig sei. Dies liege, so Volker Wissing unter Verweis auf das SPD-geführte Mainzer Innenministerium, auch in der Verantwortung derjenigen, die den Investor ausgesucht hätten. Er habe aber keinen Grund, an deren Einschätzung zu zweifeln, fügte der Wirtschaftsminister hinzu, der dann noch ankündigte, ein besonderes Augenmerk auf Unternehmensgründungen, Infrastruktur, Digitalisierung und den Handwerkernachwuchs legen zu wollen.
Nach Volker Wissings dreiviertelstündiger Rede gab es kurzen, aber stehenden Applaus der 180 Delegierten. Den bekam der FDP-Landesvorsitzende auch zu Beginn seiner Rede, als er sich ausführlich mit den Folgen des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU befasste. Nach der "erschreckenden Entscheidung der Briten" müsse jetzt alles getan werden, um die europäische Integration weiter voranzubringen, so Wissings Forderung. Wer die Rückkehr zum Nationalstaat proklamiere, werde auf den erbitterten Widerstand der Liberalen treffen.Extra

Die FDP als Spargeltarzan? Patrick Schnieder, Generalsekretär der rheinland-pfälzischen CDU, geht hart ins Gericht mit den Liberalen nach deren Parteitag am Samstag in Mainz: "Gemessen an ihrer verbalen Kraftmeierei vor der Wahl ist die FDP nun vom Muskelmann zum Spargeltarzan geworden." Von der einstmals "harschen Kritik", zum Beispiel an der rot-grünen Bildungspolitik und dem Totalversagen am Hahn, sei rein gar nichts mehr übrig, sagte Schnieder. "Schwach für eine Partei, die einen Neuanfang wollte." red

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