"Salzsäure gehört nicht in die Umwelt" - Experten besorgt über neuerliche Panne in Cattenom

Cattenom · Der nun bekannt gewordene neue Zwischenfall im Kernkraftwerk Cattenom, bei dem 58 000 Liter Salzsäure in die Mosel geflossen sind, zeigt nach Ansicht von Experten, dass es um die Sicherheit der Anlage in Lothringen nicht gut bestellt ist.

 Wie gefährlich ist das französische Atomkraftwerk Cattenom? Zahlreiche Störfälle verunsichern die Menschen in der Region. TV-Archiv-Foto: Friedemann Vetter

Wie gefährlich ist das französische Atomkraftwerk Cattenom? Zahlreiche Störfälle verunsichern die Menschen in der Region. TV-Archiv-Foto: Friedemann Vetter

Cattenom. Aus dem Kernkraftwerk Cattenom werden jedes Jahr über 3000 Tonnen gefährlicher Chlor-Verbindungen, wie etwa Salzsäure, in die Umwelt abgegeben. Davon geht der in Paris lebende deutsche Nuklearexperte Mycle Schneider aus. Schneider beruft sich dabei auf Aussagen des Betreibers der Anlage, des französischen Energiekonzerns EDF. Dieser hatte, nachdem erst vergangene Woche bekannt wurde, dass vor vier Wochen 58 000 Liter Salzsäure in die Mosel geflossen sind (der TV berichtete), mitgeteilt, dass dies nur einem Prozent der pro Jahr genehmigten Menge entsprochen habe. "Auf diese Weise erfährt die Öffentlichkeit, dass EDF jedes Jahr legal 3723 Tonnen Chlor-Verbindungen in die Umwelt abgeben darf", sagt Schneider im Gespräch mit unserer Zeitung. Salzsäure sei stark gesundheitsgefährdend. "Ein solcher Stoff gehört nicht in die Umwelt", so Schneider, der Träger des alternativen Nobelpreises ist. Er hält den Zwischenfall als ein weiteres Beispiel dafür, dass es um die Sicherheit der Anlage nicht gut bestellt ist.
Nachdem Arbeiter zwischen 23. und 24. Juli festgestellt hatten, dass Salzsäure aus dem Kühlturm des dritten Reaktorblocks ausgetreten ist, wurde diese zunächst aufgefangen. Sie sollte dann über den Kühlturm ausgeleitet werden. Dabei stellte sich aber heraus, dass eine solche Leitung zu einem Kühlturm gar nicht existiert. Die Säure ist dann in die Mosel geflossen. Auch Simone Mohr, Nuklearexpertin beim privaten Öko-Institut in Darmstadt, kritisiert die mangelnde Sicherheitskultur in Cattenom. Es dürfe nicht sein, dass nach dem Entdecken des Lecks trotzdem Salzsäure in die Umwelt austreten konnte. Ähnliche Vorfälle in anderen Kernkraftwerken seien ihr nicht bekannt, sagte Mohr. Salzsäure wird in Atomkraftwerken zur Anti-Kalk-Behandlung in Kühltürmen verwendet.
"Ich finde es unglaublich, dass Salzsäure aus dem Atomkraftwerk Cattenom in nicht gerade kleiner Menge in die Mosel gelangt und wir als Moselanrainer erfahren erst wochenlang später davon", sagt die rheinland-pfälzische Energieministerin Eveline Lemke unserer Zeitung. Das Ministerium hat ebenfalls erst am vergangenen Freitag von dem Vorfall erfahren. Lemke erneuert ihre Forderung nach einer Abschaltung von Cattenom. wie

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