Schickes Produkt, aber ungeliebte "Verkäufer"

Trier · Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht Parallelen zwischen Politik und Religion. Die einen litten unter Politikverdrossenheit, die anderen unter Glaubensverlust, sagte der CDU-Politiker bei den 60. Bitburger Gesprächen.

 Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Gespräch mit SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Gespräch mit SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Foto: (g_pol3 )

Trier. Für Norbert Lammert muss sein Auftritt in Trier ein Déjà-vu-Erlebnis gewesen sein. Vor fünf Jahren war der Bundestagspräsident schon einmal Schlussredner bei den Bitburger Gesprächen. Damals - in Mainz - machte sich der heute 68-Jährige darüber Gedanken, ob das demokratische System in Deutschland krisele. Dieses Mal philosophierte der von vielen für die Gauck-Nachfolge favorisierte Politiker über das Verhältnis von Staat und Religion in einer sich wandelnden Gesellschaft. Und wie in Mainz kam Lammert auch in der Trierer Rechtsakademie auf das Thema Politikverdrossenheit zu sprechen. Das Vertrauen in die Politik sei dramatisch zurückgegangen, so der CDU-Politiker, während es auf der anderen Seite ein großes Interesse an politischen Themen gebe und das Partizipationsbedürfnis der Bürger gestiegen sei.
Warum privilegiert?


Ähnlich geht es laut Lammert den Kirchen. Nach allen Umfragen genössen die christlichen Werte eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft, werde die christliche Kultur sogar von denen verteidigt, die keiner Glaubensrichtung angehörten. Andererseits gehe die Kirchenbindung zurück. "Das Produkt wird bestätigt, aber mit den Handelnden will niemand etwas zu tun haben", zog Lammert Parallelen zwischen Kirche und Politik.
Der Bundestagspräsident plädierte in Trier im Verhältnis Politik/Religion für eine Kombination aus "strikter Trennung und intelligenter Verbindung". Eine demonstrative Absage an religiöse Orientierungen mache eine Gesellschaft weder moderner noch humaner.
Vor dem Lammert-Vortrag hatten Gewerkschafter und Kirchenvertreter die Sonderstellung der Kirchen beim Arbeitsrecht diskutiert. Kritik an dieser Praxis kam von Verdi-Chefjustiziar Jens Schubert: "Wenn sich die Kirchen und ihre Unternehmen verhalten wie alle anderen auch, ist es nicht verständlich, warum sie derartige Privilegien genießen." Mitarbeiter von kirchlichen Einrichtungen dürfen nicht streiken und haben besondere Loyalitätspflichten. Andererseits dürfen Mitarbeiter nicht ausgesperrt werden.
Uta Losem vom Kommissariat der deutschen Bischöfe wies die Verdi-Kritik zurück. Die Kirche sei eben kein Arbeitgeber wie jeder andere. Die sozialen Einrichtungen seien nicht geschaffen worden, um die Kirche reich zu machen, sie kümmerten sich vielmehr um Kranke und Benachteiligte. Losem räumte allerdings ein, dass die religiöse Dimension in den Einrichtungen erkennbar sein müsse. Die Kirchen sind nach dem öffentlichen Dienst bundesweit der zweitgrößte Arbeitgeber. In der Region Trier sind mehrere Tausend Menschen in kirchlichen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen beschäftigt.
Einen dritten Auftritt von Norbert Lammert bei den Bitburger Gesprächen wird es nach seinen Angaben übrigens nicht geben. Der CDU-Politiker kandidiert in diesem Jahr nicht erneut für den Bundestag.

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