Showdown in Paris

Paris · Nach wochenlangen Straßenprotesten befasst sich die Nationalversammlung am Dienstag wieder mit der umstrittenen Reform des Arbeitsrechts. Der Regierung, die das Gesetz notfalls am Parlament vorbei durchpeitschen will, droht ein Misstrauensvotum.

Paris. Wenn Claude Bartolone am Dienstag um 15 Uhr mit seinem Hämmerchen auf den Tisch klopft und als Parlamentspräsident die Sitzung der Nationalversammlung eröffnet, dann steht mehr auf dem Spiel als nur die Liberalisierung des Arbeitsrechts. Zehn Monate vor den Präsidentschaftswahlen geht es für die regierenden Sozialisten auch um ihre eigene politische Zukunft. Denn am neuen, nach Arbeitsministerin Myriam El Khomri benannten Arbeitsgesetz, über das ab Dienstag in zweiter Lesung debattiert wird, könnte der regierende Parti socialiste (PS) zerbrechen. Unnachgiebig stehen sich nach wie vor Premierminister Manuel Valls, für den die "Loi El Khomri" zum Beweis seines Reformwillens geworden ist, und der linke Parteiflügel gegenüber. Dessen Vertreter waren in den vergangenen Wochen an der Seite der Gewerkschaften gegen das Gesetz auf die Straße gegangen. Streiks und teils gewaltsame Proteste begleiteten auch den Auftakt der EM, die eigentlich als Werbeaktion für Frankreich gedacht war.
Dass er am Gesetz festhält, hatte Präsident François Hollande mehrfach betont. Ein Reformwillen, der bei dem sozialistischen Staatschef im letzten Amtsjahr schon fast selbstmörderisch anmutet. "Die PS vor dem Risiko der Explosion", titelte die Zeitung Journal du Dimanche.
Angst vor Sozialdumping


Mit dem Feuer gezündelt hatte Hollande selbst, der im Wahlkampf noch die Finanzwelt zu seinem Feind erklärt hatte und danach eine sozialliberale Wende vollzog. Zu der passt nun auch das Arbeitsrecht, das einen Sozialdialog nach deutschem Vorbild eröffnen soll. Der umstrittene Artikel zwei ermöglicht Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit und beschneidet so die Macht der Gewerkschaften, die deshalb auch für Dienstag wieder zu Demonstrationen aufriefen. Erklärtes Ziel Hollandes ist es, die Unternehmer zu Einstellungen zu ermutigen und so die Rekordzahl der Arbeitslosen zu senken. Dem Sozialisten geht es dabei auch um seine eigene politische Zukunft, denn der Präsident hatte eine erneute Kandidatur an eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt geknüpft. Doch die Kritiker sehen gerade in den Betriebsvereinbarungen die Erosion der Arbeitnehmerrechte und den Beginn des Sozialdumpings. Bei der Bevölkerung kommt das neue Arbeitsrecht deshalb nicht gut an: Rund 70 Prozent lehnen die Neuregelung ab. Dennoch dürfte Valls nicht davor zurückschrecken, das Gesetz mit dem Kniff des Verfassungsartikels 49-3 am Parlament vorbei zu verabschieden. Dann droht ihm allerdings ein Misstrauensvotum der Linksparteien, dem sich auch Abgeordnete der Sozialisten anschließen dürften. Bereits im Mai hatten sich 56 linksgerichtete Abgeordnete, darunter mehr als 20 Sozialisten, zu einem Misstrauensantrag bereiterklärt. Nur zwei Stimmen fehlten, um den Plan auch in die Tat umzusetzen.
Diesmal sollen die Rebellen bereits 61 Stimmen beisammen haben. Damit der Misstrauensantrag Erfolg hat, müssten allerdings 288 Abgeordnete dafür stimmen - also auch die Parlamentarier der konservativen Opposition. Eine Allianz, die unwahrscheinlich ist. Den wirklichen Misstrauensantrag muss Hollande im Januar überstehen, wenn er sich parteiinternen Vorwahlen stellt. Dann werden ihm die Frondeure wie Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg als Kandidaten gegenüberstehen, und die Sozialisten müssen sich entscheiden, ob ihr Weg in die Mitte oder nach links außen führt.

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