Sie müssen es richten

Berlin · Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Thomas de Maizière, Horst Seehofer, Hannelore Kraft und Wolfgang Schäuble. Zwei Frauen und vier Männer sind derzeit beim Thema Flüchtlingskrise die wichtigesten Akteure auf dem bundesdeutschen politischen Parkett.

Berlin. Die Flüchtlingskrise wird auch in der kommenden Woche das wichtigste politische Thema sein. Bundestag und Bundesrat tagen, die Kanzlerin wird am Donnerstag eine Regierungserklärung abgeben und die Ministerpräsidenten der Länder empfangen, um über die Aufteilung der Milliardenkosten des Flüchtlingsansturms zu entscheiden. Wer sind die wichtigsten Akteure auf der politischen Bühne? Und wie handeln sie? Ein Überblick.

Angela Merkel: "Wir schaffen das", hat die Kanzlerin versprochen - und die Grenzen vor zwei Wochen für Tausende Menschen geöffnet. Doch so einfach ist das alles nicht. Immer häufiger bekommt sie von ihrer Basis zu hören: "Wir schaffen es kaum noch." Auf Merkel lastet ein extremer Druck. Die CSU steht in der Flüchtlingspolitik nicht hinter ihr; sie wirft ihr vor, Menschen ermuntert zu haben, nach Deutschland aufzubrechen. Auch in der CDU rumort es. Es sei nicht ihr Land, hat Merkel gesagt, wenn man sich dafür entschuldigen müsse, Menschen in Notsituationen zu helfen. Damit hat sie ihr Amt in die Waagschale geworfen. Zum ersten Mal in zehn Jahren Kanzlerschaft geht Merkel volles Risiko.

Sigmar Gabriel: Der SPD-Chef wittert seine Chance. Das Flüchtlingsthema hat er höchstpersönlich besetzt. Er gibt den verständnisvollen Warner und Mahner. Eine Million Menschen würde dieses Jahr nach Deutschland kommen, hat er verkündet. Es dürfe keine Stimmung entstehen nach dem Motto: Für die Flüchtlinge sei Geld da, aber für die deutschen Bürger nicht. In der Flüchtlingskrise wirkt Gabriel endlich wieder souverän. Das festigt seine innerparteiliche Stellung. Gerade im passenden Moment, als man in der SPD anfing, kräftig an ihm zu zweifeln.

Thomas de Maizière: Hat er nur Pech, oder ist er überfordert? Planlos haben er und die ihm unterstehenden Behörden in den vergangenen Wochen gewirkt. Als Innenminister verantwortet der CDU-Mann aber das Krisenmanagement der Regierung und muss die Kooperation mit den Ländern organisieren - die Sicherheit des Landes darf er nicht aus dem Blick verlieren. Entschlossen und tatkräftig vor den Kameras aufzutreten, ist nicht seine Sache. Er will wie ein Beamter führen. Beim Bund-Länder-Treffen am vergangenen Dienstag soll er schlecht vorbereitet gewesen sein. Eine Herkulesaufgabe kommt auch auf ihn noch zu: die Integration der Flüchtlinge. Schafft er das? Hält er durch?
Horst Seehofer: Spricht man derzeit mit Christsozialen, so sagen die, sie bekämen hinter vorgehaltener Hand Lob aus der CDU. Mit dem Flüchtlingsthema können sich die CSU und ihr Parteichef freischwimmen nach den Pleiten bei der Maut und dem Betreuungsgeld. Hart in der Asyl- und Zuwanderungspolitik zu sein, Stimmung zu machen, das war schon immer ein Markenzeichen der Bajuwaren. Das hat der CSU im Freistaat stets genutzt. Diese Chance sieht Seehofer jetzt wieder. Die harsche Kritik an Merkel belegt zugleich, wie weit beide in Schlüsselfragen auseinanderliegen.

Hannelore Kraft: Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin hat sich zum Sprachrohr der Länderinteressen gemacht. Bundespolitisch war die SPD-Frau zuletzt abgetaucht, die Flüchtlingskrise hat das geändert. Was auch damit zu tun hat, dass NRW einen Großteil der Belastungen tragen muss. Hinzu kommt aber noch etwas anderes: In NRW steht Kraft politisch massiv unter Druck, für die rot-grüne Landesregierung läuft es nicht sonderlich gut. Die Flüchtlingskrise bietet ihr die Chance, sich wieder als Landesmutter zu profilieren.

Wolfgang Schäuble: Er muss die Milliarden locker machen, die Bund, Länder und Kommunen zusätzlich benötigen. Schon sammelt er in den Ministerien, sie sollen 500 Millionen Euro einsparen. Steuererhöhungen schließt er (noch) aus, auch an der schwarzen Null will der CDU-Finanzminister nicht rütteln. Ob das gelingt, ist fraglich. Schäuble ist einer der engsten Mitstreiter von Angela Merkel. Doch das Verhältnis hat gelitten - in der Griechenland-Krise spielte er als Anhänger eines Grexit mit Rücktritt. Und in der Flüchtlingspolitik steht Schäuble auch nicht bedingungslos hinter Merkel.Extra

Mitten in der Flüchtlingskrise hat das für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine neue Spitze bekommen. Frank-Jürgen Weise wird Präsident der Behörde. Weise wird Nachfolger des am Donnerstag zurückgetretenen Manfred Schmidt. Er wird zugleich Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit bleiben und die Ämter in Personalunion führen. KNA

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