"Simple Abschottung wird die Probleme nicht lösen"

Berlin · Die Generalaussprache über den Kanzleretat ist normalerweise die Stunde der Opposition, die dann alles kritisiert, was die Regierung gemacht hat und plant. Diesmal ist es eher die Stunde der Kanzlerin. Angela Merkel (CDU) verteidigt im Bundestag ihren Kurs in der Flüchtlingsfrage mit großer Verve, Linke wie Grüne haben wenig zu meckern. Allenfalls die CSU hätte sich beschweren können.

Berlin. "Eine beachtliche Zahl ihrer Aussagen hat die Zustimmung meiner Fraktion erhalten", resümiert der Linken-Abgeordnete Roland Claus nach dreistündiger Debatte in Richtung Merkel. Nur werde das eben durch gegenteilige Äußerungen aus den Unionsreihen abgewertet, schränkt er ein. Und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schießt sich lediglich auf das derzeit geplante zweite Flüchtlingspaket ein, das leichtere Abschiebungen und Einschränkungen beim Familiennachzug vorsieht. Im Kern ihrer Flüchtlingspolitik aber stützt er Merkel: "Ich freue mich, dass Sie bisher dem Sperrfeuer aus den eigenen Reihen standgehalten haben."
Nach ihrer Behandlung beim jüngsten CSU-Parteitag gibt es Merkel Seehofer im Bundestag zurück. Nicht nur wiederholt sie ihren Satz "Wir schaffen das", sie ergänzt ihn auch um die Aufforderung, dass man dazu "ein hohes Maß an neuem Denken" brauche. Es gehe darum, die Prozesse besser zu steuern und die Zahl (der Flüchtlinge) zu reduzieren. "Auch das ist unser Ziel." Erreicht werden solle das über europäische Aufnahmekontingente für Kriegsflüchtlinge, die Sicherung der EU-Außengrenzen und einen permanenten Verteilmechanismus in Europa. "Das ist keine Petitesse, sondern dahinter steht die Frage, ob der Schengen-Raum auf Dauer aufrechterhalten werden kann." Dann ergänzte Merkel, "dass simple Abschottung das Problem nicht lösen wird".
Das ist eine klare Absage an die CSU, die eine "Obergrenze" der Flüchtlingsaufnahme gefordert hat. Dieses Wort nimmt die Kanzlerin nicht in den Mund. Auch macht sie mit ihrem ausführlichen Dank für die Flüchtlingshelfer deutlich, dass sie weiter auf eine menschliche Behandlung der Asylbewerber setzt. "Niemand verlässt leichtfertig sein Land", betont Merkel. Die Hoffnungen der Kanzlerin richten sich jetzt auf den EU-Türkei-Gipfel am Sonntag. Die Türkei sei "Schlüsselpartner", um an der EU-Außengrenze wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen. Deshalb werde man ihr helfen, "auch mit Geld, ja".Hoffen für Syrien


Zudem setzt die Kanzlerin stark auf die Bemühungen um einen Waffenstillstand in Syrien. Zum Abschuss einer russischen Maschine durch die Türkei sagteMerkel, sie hoffe, dass die hoffnungsvolle Entwicklung bei den internationalen Syrien-Gesprächen dadurch nicht zurückgeworfen werde. Womöglich kreuzen bald auch deutsche Kampfflugzeuge über dem Kriegsgebiet. Medieninformationen zufolge will Frankreich Deutschland nämlich bitten, Aufklärungs-Tornados zur Verfügung zu stellen, um IS-Stellungen auszumachen. Präsident François Hollande, der Merkel gestern Abend in Paris empfing, schmiedet derzeit eine internationale Allianz gegen die Terroristen und sammelt militärische Beiträge anderer Nationen ein. Merkel dazu im Bundestag nur allgemein: "Wenn zusätzliches Engagement notwendig ist, werden wir uns dem nicht verschließen." Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) äußert sich verschlüsselt: "Wir müssen nur geben, was wir können und was wir verantworten können. Aber grundlos verweigern dürfen wir uns auch nicht."
In jedem Fall wird Deutschland wohl sein Engagement in Mali von derzeit 200 auf 650 Soldaten aufstocken, um Frankreich dort zu entlasten, und in Nordirak auf 150 statt bisher 100 Ausbilder.

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