Soziale Herkunft darf keine Rolle spielen

Trier · Von 100 Kindern aus einer Akademiker-Familie studieren 77. Von 100 Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund nur 23. Oliver Wolf ist ein sogenanntes Arbeiterkind und engagiert sich in einer Initiative, damit die soziale Herkunft nicht über dem Wert guter Noten steht.

 Oliver Wolf und Fabian Grünheid von Arbeiterkind.de helfen Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund an die Uni. TV-Foto: Katja Bernardy

Oliver Wolf und Fabian Grünheid von Arbeiterkind.de helfen Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund an die Uni. TV-Foto: Katja Bernardy

Trier. Trotz des Spitzenwerts von 2,5 Millionen Studierenden in Deutschland ist es nach wie vor ein Thema, dass es Arbeiterkinder immer noch selten an die Hochschule schaffen. Von 100 Kindern aus einer Akademiker-Familie studieren 77. Von 100 Kindern aus Familien ohne akademischen Hintergrund nur 23. Das hatte die aktuelle Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerks gezeigt. Die deutschlandweite Initiative Arbeiterkind.de (siehe Extra) engagiert sich seit fünf Jahren gegen Chancenungleichheit.TV-Serie Studieren in Trier


Auch in Trier gibt es eine der mittlerweile 70 Ortsgruppen. Einer der Mentoren, also der Ratgeber, die Arbeiterkindern und ihren Eltern verschiedene Ängste vor dem System Hochschule nehmen wollen, ist Oliver Wolf (29). Sein Vater ist Maurer, seine Mutter hat sich um die Kinder und den Haushalt gekümmert. Es hat zu Hause an nichts gemangelt, der Junge aus Ramstein lernte gut. Die Eltern seiner Grundschulfreunde waren Banker und höhere Angestellte. "Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass Empfehlungen für weiterführende Schulen sehr stark damit zusammenhängen, wie die Lehrer die Eltern einschätzen", sagt Wolf. Er ging zur Realschule, seine Freunde zum Gymnasium. Er war dort Einserschüler und hatte ein Ziel: das Abitur.
Zu Hause hörte er Sätze wie "Mach eine Ausbildung, was Solides." Eine Lehrerin warnte vor dem Wechsel zum Gymnasium: "Nehmt euch in Acht, dass ihr euch nicht übernehmt." Aber er schaffte das Abitur, doch zu Hause hörte er wieder nur, dass er eine Ausbildung machen solle. Der "Abiturient mit dem Sturkopf", wie er sagt, setzte sich durch und studierte Jura. Seine Eltern hätten sich mit seiner Entscheidung arrangiert, sie unterstützen ihn, auch finanziell. Zurzeit promoviert der 29-Jährige. Wolf gibt seine Erfahrungen in der Initiative Arbeiterkind.de weiter. Seiner Meinung nach gibt es viele Gründe, weshalb Familien vor allem auf dem Land talentierten Kindern den Weg zur Hochschule nicht ebnen. "Ein Studium kostet viel und bringt nichts", "Dann heben die Kinder ab und wollen nichts mehr mit uns zu tun haben", "Was soll meine Tochter studieren, die wird doch Hausfrau" - dies seien Aussagen, die die zwanzig Trierer Mentoren häufig hören. Mögliche Gründe dafür sind laut Wolf die Angst der Eltern vor dem Unbekannten, vor Entfremdung vom eigenen Kind oder einem finanziellen Risiko. Aber da kann Wolf viele Eltern beruhigen, denn maximal müssten nur 10 000 Euro an Bafög-Schulden an das Bundesverwaltungsamt zurückgezahlt werden, egal wie viel Geld der Student insgesamt erhalten hat. Außerdem sei es für junge Menschen wichtig, das passende Lebensmodell zu finden. Die zentrale Botschaft, die Wolf den Ratsuchenden stetig mitgibt lautet: "Nicht zu viel auf das geben, was andere sagen, auf sich selbst hören und den eigenen Weg gehen."
Die Initiative Arbeiterkind.de will nicht nur beraten, wenn jemand den Weg zu ihr findet. In Trier würde sie auch gerne Mittel- und Oberstufenschülern von Trie rer Schulen Unterstützung und notwendige Orientierungshilfen geben. Doch bei den Einrichtungen scheine das Interesse gering zu sein, die Resonanz auf die Anschreiben der Initiative tendiere gegen null. kat

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www.volksfreund.de/studiumExtra

Wer an die Uni will, aber aus einer Familie stammt, in der noch niemand studiert hat, kann sich an die Initiative Arbeiterkind.de wenden. Über 5000 ehrenamtliche Mentoren, die sich als erfahrener Ratgeber einsetzen, sind in 70 lokalen Gruppen organisiert. Sie helfen bei allen Fragen rund ums Studium, auch zur Finanzierung und zu Stipendien. Über ein eigenes soziales Netzwerk sind bundesweit Mentoren sowie Schüler und Studierende in Kontakt: www.netzwerk.arbeiterkind.de Weitere Infos zu Sprechstunden- und Stammtischterminen lokaler Gruppen unter Infotelefon 020/679 672 750 und im Internet: www.arbeiterkind.de kat

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