Steigt radioaktive Belastung der Mosel?

Umweltschützer schlagen Alarm: Sie befürchten, dass sich die radioaktiven Ableitungen des Kernkraftwerks Cattenom an der französischen Mosel erhöhen werden. Hintergrund ist die Genehmigung neuer Brennstoffe.

Cattenom/Mainz. Die Genehmigung trägt das Datum 9. Dezember 2009. An diesem Tag hat die französische Atomaufsicht dem Energieversorger EDF erlaubt, in insgesamt acht seiner Kernkraftwerke, darunter auch das in Cattenom an der französischen Mosel, künftig die neuartigen Kernbrennstoffe des Typs HTC einzusetzen. HTC steht dabei für Haut Taux de Combusition, was übersetzt heißt: hohe Abbrandrate. Mit anderen Worten: Die neuen Brennstäbe sind effektiver als die derzeit eingesetzten. Außerdem müssen sie weniger häufig gewechselt werden, statt nach 18 Monaten brauchen die HTC-Brennstoffe erst nach 21 Monaten ausgetauscht zu werden. Allerdings ist für die Kühlung der Brennstäbe eine höhere Konzentration des radioaktiven Stoffes Tritium notwendig. Der Trie rer Atomexperte und Grünen-Politiker Ewald Adams befürchtet, dass sich dadurch die Tritium-Konzentration in der Mosel erhöhen wird. Schon jetzt werde eine sehr hohe Konzentration von Tritium in die Mosel geleitet, sagt Adams.

Ganz überraschend kommt der Einsatz der neuen Brennstäbe nicht. Bereits 2003 hat die EDF höhere Grenzwerte für Tritium-Ableitungen aus dem Kraftwerk Cattenom beantragt.

Der Jahresgrenzwert sollte von 160 auf 200 Terabecquerel erhöht werden. Um ein Viertel höher wäre damit die Tritium-Konzentration in der Mosel gewesen. Begründet wurde der Antrag bereits damals mit der Einführung neuer Brennstoffe des Typs HTC.Heftige Proteste verhinderten höhere Grenzwerte



Erst nach heftigen Protesten von Umweltschützern reagierte damals das rheinland-pfälzische Umweltministerium und sprach sich gegen höhere Grenzwerte für radioaktive Ableitungen auf. In einer Stellungnahme vom 8. Oktober 2003 zu den beantragten höheren Grenzwerten wies die deutsche Strahlenschutz-Kommission daraufhin, dass die bisherigen Tritium-Ableitungen von Cattenom bereits höher sind als die vergleichbarer deutscher Anlagen. Allerdings, so hieß es in der 17-seitigen Stellungnahme, entsprächen die radioaktiven Ableitungen des Kernkraftwerks Cattenom den Anforderungen der deutschen Strahlenschutzverordnung.

Die französische Atomaufsicht untersagte 2004 EDF schließlich die Erhöhung der Grenzwerte. Eigentlich sollten die neuen Brennstoffe bereits 2006 eingesetzt werden.

Nun sollen sie frühestens 2011 erstmals im dritten von insgesamt vier Reaktorblöcken von Cattenom eingesetzt werden. Im Lauf dieses Jahres soll zunächst das Kernkraftwerk im französischen Nogent an der Marne umgerüstet werden.

Im rheinland-pfälzischen Umweltministerium sieht man durch die neue Brennstäbe-Generation im Kernkraftwerk Cattenom keine Gefahr für die deutsche Bevölkerung. "Der Betreiber ist verpflichtet, die Ableitungsgrenzwerte aus der atomrechtlichen Genehmigung aus dem Jahr 2004 einzuhalten", sagt Ministeriumssprecherin Stefanie Mittenzwei. Danach dürfe die Ableitung innerhalb eines Jahres bis zu 192 Terabecquerel betragen. Der jährliche Mittelwert für Tritium in der Mosel dürfe über drei Jahre lang 160 Exabecquerel nicht überschreiten. Diese Werte seien mit denen in deutschen Atomkraftwerken vergleichbar, sagt Mittenzwei.

Das sehen die rheinland-pfälzischen Grünen anders. Sie werfen Umweltministerin Margit Conrad Untätigkeit vor. Sie nehme hin, dass sich mit den neuen Brennstoffen die Ableitungen in die Mosel erhöhen könnten, kritisiert die Landesvorstandssprecherin Eveline Lemke. Extra Tritium ist ein radioaktives Element, das bei der Kernfusion in Atomreaktoren entsteht. Vor allem Druckwasserreaktoren wie die vier im Kernkraftwerk im lothringischen Cattenom an der Mosel geben größere Mengen an Tritium in das Abwasser ab. Bei der Reaktion des Elementes Bor mit Neutronen entsteht Tritium. Die neuen Brennstäbe des Typs HTC, wie sie künftig in Cattenom verwendet werden sollen, verursachen eine um 25 Prozent höhere Tritium-Konzentration im Abwasser als die bisherigen Brennstäbe. Laut einer Studie der Umweltschutzorganisation Greenpeace wird Tritium vom menschlichen Körper aufgenommen und führt zu einer gleichmäßigen Strahlenbelastung aller Organe. Es könne noch nach Jahren Krebs verursachen. (wie)

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