Streit um Mindestlohn schwelt weiter

Berlin · Er gilt seit acht Wochen und bringt viele auf die Palme: Die Diskussionen um den Mindestlohn kommen einfach nicht zur Ruhe. Heute nimmt die Mindestlohnkommission ihre Arbeit auf. Auch dort ist Streit programmiert.

Berlin. Am Gebäude des Bundesarbeitsministeriums in Berlin hängt ein großes Plakat mit der Aufschrift: "Der Mindestlohn gilt". Doch was so eindeutig klingt, ist für Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) zum politischen Nervenspiel geworden.
Zwar steht die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde schon seit dem 1. Januar im Gesetzblatt. Aber die Union lässt nichts unversucht, um die vermeintlich geschlagene Schlacht noch einmal neu aufzurollen. Beinah täglich beschwert sich der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU über bürokratische Auswüchse und praktische Umsetzungsprobleme, was die bislang erfolgsgewohnte Ministerin in die Defensive bringt.
Zunächst war es die Gruppe der Schausteller, bei denen Nahles nachbessern musste, dann sah sie sich gezwungen "klar zu stellen", dass Amateur-Vertragsspieler sowie Ehrenamtliche nicht unter den Mindestlohn fallen. Und als wäre das nicht schon genug, rang die Union der Arbeitsministerin auch noch die Zusage ab, schon bis Ostern "eine Bestandsaufnahme der in der Praxis bestehenden Probleme" zu erstellen.
In dieser aufgeladenen Atmosphäre wird sich am heutigen Freitag nun die vom Gesetz vorgeschriebene Mindestlohnkommission konstituieren, ein unabhängiges Expertengremium mit dem ehemaligen Hamburger SPD-Bürgermeister Henning Voscherau an der Spitze. Dazu kommen jeweils drei stimmberechtigte Vertreter der Arbeitgeber- und der Gewerkschaftsseite sowie zwei Wissenschaftler.TV-Analyse Bundespolitik



Laut Gesetz hat die Kommission die Aufgabe, alle zwei Jahre eine Anpassung des geltenden Mindestlohns vorzunehmen. Als Orientierungshilfe für die dann mögliche Aufstockung der 8,50 Euro dient die Tarifentwicklung der Vorjahre. Eine erste Anpassung ist zum 1. Januar 2017 vorgesehen. Ebenfalls im Zwei-Jahres-Rhythmus soll die Kommission einen Bericht zu den Auswirkungen des Mindestlohns hinsichtlich des Schutzes der Arbeitnehmer, der Wettbewerbsbedingungen sowie der Beschäftigung und Produktivität erstellen.
Das mag wenig spektakulär klingen. Aber Streitigkeiten dürften auch in dieser Runde programmiert sein. Allein schon deshalb, weil die Arbeitgeberseite mit dem Mindestlohn naturgemäß weniger am Hut hat als das Gewerkschaftslager.
Der DGB drängt darauf, dass die Kommision sich auch um die Situation der Langzeitarbeitslosen kümmert. Nach dem Start in einen Job wird für sie laut Gesetz zunächst kein Mindestlohn fällig. Erst nach einem halben Jahr muss er gezahlt werden. Diese Regelung soll die Einstellungs-chancen von Hartz-IV-Empfängern verbessern. Die Gewerkschaften befürchten jedoch einen Drehtüreffekt: Firmen könnten einen ehemaligen Langzeitarbeitslosen nach sechs Monaten durch einen neuen ersetzen.

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