Szenen einer Polit-Ehe

Mainz · Negativschlagzeilen über Großprojekte, Rücktrittsforderungen gegen Minister, Absturz in der Wählergunst: Die Landesregierung steckt in einer Krise. Rot-Grün hadert auch miteinander, rauft sich aber zusammen.

Mainz. In jeder Ehe gibt es Abnutzungserscheinungen. Das ist in der Politik nicht anders als im Privatleben. Man kennt nach einigen Jahren die Macken des Partners. Sie nerven. Mal mehr, mal weniger. Die rheinland-pfälzischen Grünen ärgern sich derzeit etwas mehr als gewöhnlich über ihren Koalitionspartner SPD. Der Grund trägt einen Namen: Nürburgring.
Diese lästige Mücke schwirrt seit Beginn der Regierungszeit im Mai 2011 um Rot-Grün herum, sticht immer wieder zu, piesackt. Gerade erst hat Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler in einem Interview eingeräumt, man hätte sich die Aufarbeitung schneller gewünscht. Eigentlich meinte er wohl: das Abhaken dieses misslichen Themas. Was derzeit nicht in Sicht ist.
Die Ökopartei liest das kritische Gutachten des Landesrechnungshofs zum gescheiterten Zukunftskonzept 2010 für die Eifel-Rennstrecke anders, als es die Genossen tun. Sie erkennt, dass die Speyerer Finanzkontrolleure Fehler auch in der Zeit nach dem Abgang von Ex-Finanzminister Ingolf Deubel ausgemacht haben. Was bedeutet, dass aktuelle SPD-Führungskräfte wie Fraktionschef Hendrik Hering oder Finanzminister Carsten Kühl, mit denen die Grünen zusammenarbeiten, schlecht aussehen.
Dass die Genossen sich eifrig bemühen, dem Rechnungshof Fehler im Gutachten nachzuweisen, um die Expertise in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen, passt den Grünen nicht. Nur: Wie bringt man das dem Partner so schonend bei, dass keine Ehekrise daraus wird?
Wirtschaftsministerin Eveline Lemke hat eine pfiffige Lösung parat: Aus dem fernen Mexiko schickte sie kürzlich bei einer Delegationsreise ein Foto über den Kurznachrichtendienst Twitter, das sie fröhlich lachend mit CDU-Chefin Julia Klöckner zeigt. Ein kleiner Flirt, mehr nicht. Aber einer mit Symbolkraft.
TV-Analyse Landespolitik


Das Bild soll zeigen: Spinnefeind sind wir uns nicht. Im Notfall können wir miteinander. So wie im benachbarten Hessen, wo eine schwarz-grüne Koalition regiert, die zuvor keiner für möglich gehalten hätte.
"Man darf das nicht überbewerten", versichert ein führender Grüner. In der Fraktion gebe es zwar Ärger und Unverständnis über die SPD. Der gehe aber keinesfalls so weit, die Partnerschaft aufzugeben. Es gebe keinen Block in der Fraktion, der sich zur CDU hinwenden wolle. Man habe mit den Sozialdemokraten immer noch erheblich mehr Gemeinsamkeiten als mit der Union.
Genau deshalb lehnen die Grünen auch im Landtag die von der Opposition geforderten vorzeitigen Neuwahlen ab.
Ein kurzer, harmloser Flirt als Warnschuss hat schon manche Ehe gerettet. Dass die Signale angekommen sind, hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer bereits in ihrer Regierungserklärung erkennen lassen. Sie hat Fehler klar eingeräumt und den schwierigen Spagat gemeistert, sich von ihrem Vorgänger Kurt Beck zu distanzieren - wie von den Grünen gewünscht - ohne diesen allzu sehr zu verletzen. Dem Vernehmen nach hatte Beck Dreyers Rede zuvor bekommen, und sie hatte auch mit ihm telefoniert.
Die Koalitionspartner hadern also ein wenig miteinander - aber am meisten damit, dass sie es der Opposition allzu leichtmachen. Die CDU muss einfach nur genüsslich bei den Großprojekten Ring, Flughafen Hahn und Flughafen Zweibrücken den Finger in die Wunden legen. Das reicht, um in den Wählerumfragen bestens dazustehen. Im Gegensatz zu Rot-Grün, das derzeit keine Mehrheit mehr hat.
Von entscheidender Bedeutung für die Fortsetzung der Polit-Ehe über die nächste Landtagswahl 2016 hinaus - das ist der weiterhin allseits bekräftigte Wunsch - halten die Parteistrategen die Frage, wie sie ihre eigenen Erfolge besser verkaufen können. Der Wähler habe sich längst an kostenlose Kita-Plätze oder das gute Angebot an Ganztagsschulen gewöhnt, weiß SPD-Generalsekretär Jens Guth. Die bundesweit drittniedrigste Arbeitslosenquote nehme er offenbar auch nicht als Errungenschaft rot-grüner Landespolitik wahr.
Endlich in die Offensive zu kommen, lautet der sehnliche Wunsch fast aller Abgeordneten von SPD und Grünen. Der große Koalitionspartner will in wenigen Wochen beim SPD-Landesparteitag ein Aufbruchsignal senden. Was wird das sein? "Warten Sie doch mal ab", sagt SPD-General Jens Guth augenzwinkernd.

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